KRAFTKLUB
IM WESTEN NICHTS NEUES
Sie haben die Bühnenbretter angewärmt für Fettes Brot, sie
haben das Mikrofon locker gemacht für Casper und die Massen für
die Beatsteaks anheizt. Jetzt ist die Zeit für Kraftklub
gekommen, aus dem Schatten der prominenten Tourpartner
herauszutreten und ein eigene Duftmarke zu setzen. "Mit K"
heißt das Album der fünf Jungs aus Chemnitz, das Ende Januar
erscheint und wenn es nicht mit dem Teufel zugeht, dann werden
Kraftklub damit richtig durchstarten.
Bei Kraftklub ging es von Anfang an rasend schnell. Im Sommer
2009 trat Sänger Felix alias Rapper Bass Boy beim Splash
Festival erstmals mit der Gitarrenband Neon Blocks auf die
Bühne und Kraftklub war geboren. Ende des Jahres gingen sie
zusammen ins Studio und im Februar 2010 erschien die erste EP
"Adonis Maximus". "Es gibt drei oder vier verschiedene
Geschichten, wie wir uns gegründet haben", erklärt Felix
grinsend. "Meine Lieblingsgeschichte ist, dass wir uns auf
einer Silvesterparty in Chemnitz kennengelernt haben und
irgendwann zu fünft auf dem Sofa saßen, während alle anderen
Bräute abgestaubt haben. Dann haben wir festgestellt: So kann
das nicht weitergehen! Und dann haben wir beschlossen, eine
Band zu gründen. Am nächsten Morgen sind wir dann in den
Proberaum gegangen und haben Songs geschrieben. Deswegen gilt
auch der 1. Januar 2010 als unser Entstehungsdatum." Immer
dabei: der einheitliche Look. Alle Bandmitglieder tragen auf
der Bühne sogenannte College-Jacken mit schwarzer Brust und
weißen Ärmeln. Zumindest solange, bis der eine oder andere
Scheinwerfer zu heiß und die Uniform zur Qual wird. "Wir haben
gezielt nach einem einheitlichen Look gesucht, weil es uns
angeödet hat, wenn wir alle diese Indie-Bands gesehen haben,
die uns eigentlich gut gefallen haben, aber diese Attitüde in
den normalen Klamotten auf die Bühne zu gehen, fanden wir
blöd", sagt Felix. "Ich fand es immer cooler, wenn eine Band
wie The Hives zum Beispiel auf die Bühne kam und sagte: So,
jetzt sind wir da und jetzt ist Showtime! Deswegen haben wir
gesagt, wir brauchen auch eine Uniform, etwas Einheitliches.
Und die College-Jacken waren einfach billig." Die schnelle
tanzbare Popmusik von Kraftklub ist so überzeugend, dass die
Band inzwischen einen Vertrag bei Universal unterschreiben
konnte. Mit der ersten Single "Ich will nicht nach Berlin!" ist
die Band beim Bundesvision Song Contest von Stefan Raab für
Sachsen auf Anhieb auf Platz 5 gelandet und hat außerdem durch
eine spektakuläre Performance geglänzt. Felix & Co. hatten
nur String-Tangas und eine Ladung Körperfarbe am Leib. "Wir
haben uns den Bundesvision Song Contest schon vor Jahren schon
mal im Fernsehen angeschaut und fanden die Performances gähnend
langweilig. Dann haben wir natürlich Witze gemacht, was wir
alles besser machen würden", erklärt Felix. "Dann kam der Gag,
dass wir eben nackt auftreten würden. Dann wurden wir dieses
Jahr tatsächlich angefragt und das mussten wir dann natürlich
auch durchziehen. Sonst hätten wir uns vor unseren Kumpels
lächerlich gemacht. Und dann haben wir in einer
Motorsport-Zeitung die Fotos von Mädchen bei einer Automesse
gesehen, die mit Bodypainting vor großen Karren posiert haben.
Und diese Vorstellung fanden wir so lustig, dass wir das
machten." Die Jungs aus Sachsen haben eben ihren eigenen Kopf.
Kraftklub setzen ein Zeichen für Unangepasstheit und
Größenwahn, indem sie einfach mal behaupten: Chemnitz ist
besser als Berlin. "In Berlin oder auch in Köln kommt einfach
eine Band nach der anderen", sagt Felix. "Alle ziehen in die
großen Städte, weil sie denken, da sind die Leute von
Plattenfirmen. So ein Unsinn! Um es in einen Internet-Blog zu
schaffen, ist es völlig egal, wo man herkommt. Wenn Du Musik
machst, die funktioniert und die Leute mögen es, kannst Du auch
aus einem 200-Seelen-Ort kommen. Wir bekamen zum Beispiel von
unserer Plattenfirma die Anweisung, nach Berlin zu ziehen. Die
haben uns dann erklärt, dass da die Medien und die Plattenbosse
sitzen, deshalb muss man in Berlin sein. Das fanden wir voll
blöd und haben es auch gar nicht verstanden, weil wir unseren
Plattenvertrag ja schon hatten. Warum sollen wir denn nach
Berlin? Dann haben wir probehalber zwei Monate lang bei Kumpels
in Berlin übernachtet und haben uns das alles mal angeschaut.
Und das hat uns so angeödet, dass wir in dieser Zeit unsere
erste Single "Ich will nicht nach Berlin!" geschrieben
haben."
Kraftklub kommen aus einer Stadt, in der es vorsichtig
ausgedrückt schwierig ist. Chemnitz hat eine ganz kleine
Musikszene und vor allem viele Neonazis, die es normalen
Jugendlichen schwer machen, sich zu entfalten. "Klar gibt es
bei uns eine rechte Jugendkultur. Das kriegt man auch mit, vor
allem in den jüngeren Jahren, wo es noch mehr darum ging,
Mädchen kennenzulernen. Da ist man noch in die "schlimmen"
Clubs gegangen. Und da gibt es natürlich haufenweise Nazis.
Umso spannender ist es, zwei Clubs zu haben, die dem
entgegenwirken - wo du hingehen kannst und sicher sein kannst,
dass dort keine Nazis oder Hooligans sind, sondern angenehme
Menschen. Und damit identifiziert man sich natürlich. Dort
kommt natürlich jede Musik, von Dubstep über House bis zu
Dancehall und Reggae. Dadurch ist es viel einfacher, seinen
Horizont zu erweitern, weil man zwangsläufig nur in diese
beiden Clubs gehen kann. Und aus diesen Umständen ist auch
Kraftklub entstanden." Atomino und Weltecho heißen die beiden
Clubs, in denen man die Jungs von Kraftklub treffen kann. Aber
auch dort ist man nicht vor Anfeindungen sicher. Seit Kraftklub
die Fahne für ihre Heimatstadt Karl-Marx-Stadt (DDR-Name für
Chemnitz) nicht ganz ernst gemeint hochhalten, sind sie ins
Fadenkreuz der örtlichen Antifa geraten. "Es gibt inzwischen
sogar eine Anti-Kraftklub-Seite auf Facebook. Dabei sind wir
ganz und gar unpolitisch. Für mich ist es selbstverständlich,
nicht rechts zu sein und Rassismus scheiße zu finde, da muss
ich nicht noch in den Texten drüber reden. Privat gehe ich auf
Demos und zeige mein Gesicht, aber in meiner Funktion als
Künstler will ich das nicht. Dieser Lokalpatriotismus stammt
bei uns aus frühester Kindheit. Wenn ich mit meiner Mutter an
der Ostsee war und dort andere Kinder kennengelernt habe, war
ich immer der dumme Ossi. Von vornherein, nur weil ich aus
Ostdeutschland komme, war ich immer der Vollidiot. Und deshalb
habe ich mir total früh eine Trotzreaktion angeeignet, dass ich
gesagt habe: Nein, ich komme aus Ostdeutschland und bin
trotzdem eine Million mal cooler als Du! Da wo ich herkomme ist
es geil, da wo Du herkommst, ist es scheiße! Und diese
Einstellung ist eben hängen geblieben." Und weil die Antifa
gegen so ziemlich alles ist und ganz gerne mal auf Menschen aus
dem eigenen politischen Lager losgeht, müssen sich auch
Kraftklub ständig rechtfertigen wie viele andere Bands. Die
sogenannte Grauzonen-Diskussion hat längst irrwitzige
Dimensionen erreicht, meint Felix. "Die Antifa hat bei uns in
Chemnitz einfach total den Stock im Arsch - so lobenswert die
Einstellung auch ist, die dahinter steckt. Ständig wird alles
totdiskutiert. Ein Konzert kannst Du nicht mehr veranstalten,
sobald der Künstler irgendwas Kontroverses an sich hat. Uns hat
man zum Beispiel Homophobie unterstellt und das ist einfach
lächerlich! Wenn es nach der Antifa geht, kann kein einziges
Rap-Konzert mehr wegen Sexismus-Vorwürfen stattfinden. In
unserem Lieblingsklub sollte die Elektro-Band Von Spar
auftreten und die haben von der Antifa eine Mail bekommen, dass
das ein Nazi-Club sei. Seitdem halten wir Abstand." Offener ist
die Hip Hop-Szene, die die Band längst für sich vereinnahmet
hat und überall als neuartige Verbindung von Indiegitarren und
Rap anpreist. Obwohl die Musik von Kraftklub alles andere als
Crossover ist, sagt Felix. "Die Hip Hop-Szene sucht schon seit
Jahren verzweifelt nach Sachen, die anders sind. Vor zehn
Jahren kam der harte deutsche Gangster-Rap auf, das war was
Neues. Und seitdem ist nichts mehr passiert. Deshalb greifen
sie nach jedem Strohhalm, selbst wenn es eigentlich eine
Rockband ist wie wir. Aber wir freuen uns natürlich darüber,
dass Kraftklub auch bei einem Hip Hop-Publikum wie bei Casper
oder Fettes Brot funktioniert. Allerdings war die Resonanz beim
Publikum bei den Konzerten mit Beatsteaks größer." Zuspruch,
den die Chemnitzer jetzt auch bei ihrer ersten eigenen
Headliner-Tournee erlebten. Ausverkaufte Clubs in Würzburg,
Frankfurt, Leipzig oder Köln und Fans, die von der ersten
Minute an mitsingen, obwohl das Debütalbum erst im Januar
erscheint. Deshalb setzt die Jungs jetzt erst einmal alles auf
eine Karte und planen weder Studium noch Ausbildung in der
Hinterhand. "Wir leben hier in Deutschland, was soll denn
passieren? Klar, Hartz 4 ist sehr wenig, aber Du kannst
überleben. Du hast die Wahl zu machen, was Du willst. Das
können die Menschen in vielen anderen Ländern nicht. Wir sind
alle Anfang 20 und haben alle noch keine Familie oder
Verpflichtungen. Und wir haben das große Glück und verdienen
sogar noch Geld mit unserer Musik. Uns ist schon klar, dass das
nicht ewig geht und sehr schnell wieder vorbei sein kann. Aber
irgendwann kann man seinen Kindern erzählen: Als ich so alt
war, wie ihr, haben mir eine Menge Leute zugejubelt, das war
eine geile Zeit! Ich bin 24 Stunden am Tag mit meinen besten
Freunden unterwegs und das würde ich momentan für nichts in der
Welt eintauschen."
Wolfram Hanke
KONZERTBERICHT
Kraftklub Cairo Würzburg 08.11.2011
Noch nie zuvor war das Cairo in seiner Geschichte wohl so
schnell ausverkauft. Die etwa 200 Tickets für die Show von
Kraftklub waren schon Wochen vor dem Termin ratzfatz weg und
ein paar Tage vor dem Konzert hätte man wohl satte Gewinne auf
Ebay für ein Ticket in Würzburg eingefahren. So viele
Ticketverkäufer sieht man vor dem Würzburger Jugendkulturhaus
selten. Denn Kraftklub sind heiß. Die Jungs aus Chemnitz waren
schon mit Beatsteaks, Casper und Fettes Brot auf Tour und haben
beim Bundesvision Song Contest vor ein paar Monaten Platz 5
eingeheimst. Die Fans singen die Strophen und Refrains vom
ersten Takt an mit. Die Band trägt einheitlich schwarz-weiße
College-Jacken und darunter weiße Polohemden mit dem Bandemblem
auf der Brust. Und auch akustisch ähneln die Sachsen der
schwedischen Band The Hives. Es gibt stramme Schlagzeugbeats
und Stakkato-Riffs. Dazu liefert Frontmann Felix Sprechgesang
im Stil von Mediengruppe Telekommander. Slogans zum Mitgrölen
wie "Nie wieder Ritalin!", "Mein Leben ist ein Arschloch!" oder
"Ich komme aus Karl-Marx-Stadt! Ich bin ein Verlierer, Baby!"
Zwischendurch verteilen die Girls aus der ersten Reihe einen
ganzen Kasten Wasser im Publikum. Alles trieft, die Verstärker
brummen und der Dampf im Cairo-Saal erreicht Sauna-Dimensionen.
Vor allem bei den Hits "Ich will nicht nach Berlin", "Zu jung"
oder "Scheißindiedisco" gibt es keinen Entrinnen mehr.
Eineinhalb Stunden lang dauert die sächsische Turnstunde und
dabei veröffentlichen Kraftklub erst im Januar ihr Debütalbum.
Das nächste Konzert wird wohl in der Posthalle sein.
Respekt!
wh