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NEUIGKEITEN/AKTUELLES EINZELANSICHT

SEIT HERBST VON UNS WÄRMSTENS EMPFOHLEN: KRAFTKLUB...

...aus Chemnitz machen mit ihrem Album jetzt Platz 1 in den deutschen Albumcharts in der ersten Februarwoche 2012. Geht doch! Wer sich gerade für die Band erst zu interessieren beginnt, der kann hier die beiden Teile des Interviews lesen, die im Dezemberheft und in der aktuellen Ausgabe waren. Ungekürzt.
SEIT HERBST VON UNS WÄRMSTENS EMPFOHLEN: KRAFTKLUB...
Platz 1: Kraftklub

KRAFTKLUB
IM WESTEN NICHTS NEUES


Sie haben die Bühnenbretter angewärmt für Fettes Brot, sie haben das Mikrofon locker gemacht für Casper und die Massen für die Beatsteaks anheizt. Jetzt ist die Zeit für Kraftklub gekommen, aus dem Schatten der prominenten Tourpartner herauszutreten und ein eigene Duftmarke zu setzen. "Mit K" heißt das Album der fünf Jungs aus Chemnitz, das Ende Januar erscheint und wenn es nicht mit dem Teufel zugeht, dann werden Kraftklub damit richtig durchstarten.


Bei Kraftklub ging es von Anfang an rasend schnell. Im Sommer 2009 trat Sänger Felix alias Rapper Bass Boy beim Splash Festival erstmals mit der Gitarrenband Neon Blocks auf die Bühne und Kraftklub war geboren. Ende des Jahres gingen sie zusammen ins Studio und im Februar 2010 erschien die erste EP "Adonis Maximus". "Es gibt drei oder vier verschiedene Geschichten, wie wir uns gegründet haben", erklärt Felix grinsend. "Meine Lieblingsgeschichte ist, dass wir uns auf einer Silvesterparty in Chemnitz kennengelernt haben und irgendwann zu fünft auf dem Sofa saßen, während alle anderen Bräute abgestaubt haben. Dann haben wir festgestellt: So kann das nicht weitergehen! Und dann haben wir beschlossen, eine Band zu gründen. Am nächsten Morgen sind wir dann in den Proberaum gegangen und haben Songs geschrieben. Deswegen gilt auch der 1. Januar 2010 als unser Entstehungsdatum." Immer dabei: der einheitliche Look. Alle Bandmitglieder tragen auf der Bühne sogenannte College-Jacken mit schwarzer Brust und weißen Ärmeln. Zumindest solange, bis der eine oder andere Scheinwerfer zu heiß und die Uniform zur Qual wird. "Wir haben gezielt nach einem einheitlichen Look gesucht, weil es uns angeödet hat, wenn wir alle diese Indie-Bands gesehen haben, die uns eigentlich gut gefallen haben, aber diese Attitüde in den normalen Klamotten auf die Bühne zu gehen, fanden wir blöd", sagt Felix. "Ich fand es immer cooler, wenn eine Band wie The Hives zum Beispiel auf die Bühne kam und sagte: So, jetzt sind wir da und jetzt ist Showtime! Deswegen haben wir gesagt, wir brauchen auch eine Uniform, etwas Einheitliches. Und die College-Jacken waren einfach billig." Die schnelle tanzbare Popmusik von Kraftklub ist so überzeugend, dass die Band inzwischen einen Vertrag bei Universal unterschreiben konnte. Mit der ersten Single "Ich will nicht nach Berlin!" ist die Band beim Bundesvision Song Contest von Stefan Raab für Sachsen auf Anhieb auf Platz 5 gelandet und hat außerdem durch eine spektakuläre Performance geglänzt. Felix & Co. hatten nur String-Tangas und eine Ladung Körperfarbe am Leib. "Wir haben uns den Bundesvision Song Contest schon vor Jahren schon mal im Fernsehen angeschaut und fanden die Performances gähnend langweilig. Dann haben wir natürlich Witze gemacht, was wir alles besser machen würden", erklärt Felix. "Dann kam der Gag, dass wir eben nackt auftreten würden. Dann wurden wir dieses Jahr tatsächlich angefragt und das mussten wir dann natürlich auch durchziehen. Sonst hätten wir uns vor unseren Kumpels lächerlich gemacht. Und dann haben wir in einer Motorsport-Zeitung die Fotos von Mädchen bei einer Automesse gesehen, die mit Bodypainting vor großen Karren posiert haben. Und diese Vorstellung fanden wir so lustig, dass wir das machten." Die Jungs aus Sachsen haben eben ihren eigenen Kopf. Kraftklub setzen ein Zeichen für Unangepasstheit und Größenwahn, indem sie einfach mal behaupten: Chemnitz ist besser als Berlin. "In Berlin oder auch in Köln kommt einfach eine Band nach der anderen", sagt Felix. "Alle ziehen in die großen Städte, weil sie denken, da sind die Leute von Plattenfirmen. So ein Unsinn! Um es in einen Internet-Blog zu schaffen, ist es völlig egal, wo man herkommt. Wenn Du Musik machst, die funktioniert und die Leute mögen es, kannst Du auch aus einem 200-Seelen-Ort kommen. Wir bekamen zum Beispiel von unserer Plattenfirma die Anweisung, nach Berlin zu ziehen. Die haben uns dann erklärt, dass da die Medien und die Plattenbosse sitzen, deshalb muss man in Berlin sein. Das fanden wir voll blöd und haben es auch gar nicht verstanden, weil wir unseren Plattenvertrag ja schon hatten. Warum sollen wir denn nach Berlin? Dann haben wir probehalber zwei Monate lang bei Kumpels in Berlin übernachtet und haben uns das alles mal angeschaut. Und das hat uns so angeödet, dass wir in dieser Zeit unsere erste Single "Ich will nicht nach Berlin!" geschrieben haben."


Kraftklub kommen aus einer Stadt, in der es vorsichtig ausgedrückt schwierig ist. Chemnitz hat eine ganz kleine Musikszene und vor allem viele Neonazis, die es normalen Jugendlichen schwer machen, sich zu entfalten. "Klar gibt es bei uns eine rechte Jugendkultur. Das kriegt man auch mit, vor allem in den jüngeren Jahren, wo es noch mehr darum ging, Mädchen kennenzulernen. Da ist man noch in die "schlimmen" Clubs gegangen. Und da gibt es natürlich haufenweise Nazis. Umso spannender ist es, zwei Clubs zu haben, die dem entgegenwirken - wo du hingehen kannst und sicher sein kannst, dass dort keine Nazis oder Hooligans sind, sondern angenehme Menschen. Und damit identifiziert man sich natürlich. Dort kommt natürlich jede Musik, von Dubstep über House bis zu Dancehall und Reggae. Dadurch ist es viel einfacher, seinen Horizont zu erweitern, weil man zwangsläufig nur in diese beiden Clubs gehen kann. Und aus diesen Umständen ist auch Kraftklub entstanden." Atomino und Weltecho heißen die beiden Clubs, in denen man die Jungs von Kraftklub treffen kann. Aber auch dort ist man nicht vor Anfeindungen sicher. Seit Kraftklub die Fahne für ihre Heimatstadt Karl-Marx-Stadt (DDR-Name für Chemnitz) nicht ganz ernst gemeint hochhalten, sind sie ins Fadenkreuz der örtlichen Antifa geraten. "Es gibt inzwischen sogar eine Anti-Kraftklub-Seite auf Facebook. Dabei sind wir ganz und gar unpolitisch. Für mich ist es selbstverständlich, nicht rechts zu sein und Rassismus scheiße zu finde, da muss ich nicht noch in den Texten drüber reden. Privat gehe ich auf Demos und zeige mein Gesicht, aber in meiner Funktion als Künstler will ich das nicht. Dieser Lokalpatriotismus stammt bei uns aus frühester Kindheit. Wenn ich mit meiner Mutter an der Ostsee war und dort andere Kinder kennengelernt habe, war ich immer der dumme Ossi. Von vornherein, nur weil ich aus Ostdeutschland komme, war ich immer der Vollidiot. Und deshalb habe ich mir total früh eine Trotzreaktion angeeignet, dass ich gesagt habe: Nein, ich komme aus Ostdeutschland und bin trotzdem eine Million mal cooler als Du! Da wo ich herkomme ist es geil, da wo Du herkommst, ist es scheiße! Und diese Einstellung ist eben hängen geblieben." Und weil die Antifa gegen so ziemlich alles ist und ganz gerne mal auf Menschen aus dem eigenen politischen Lager losgeht, müssen sich auch Kraftklub ständig rechtfertigen wie viele andere Bands. Die sogenannte Grauzonen-Diskussion hat längst irrwitzige Dimensionen erreicht, meint Felix. "Die Antifa hat bei uns in Chemnitz einfach total den Stock im Arsch - so lobenswert die Einstellung auch ist, die dahinter steckt. Ständig wird alles totdiskutiert. Ein Konzert kannst Du nicht mehr veranstalten, sobald der Künstler irgendwas Kontroverses an sich hat. Uns hat man zum Beispiel Homophobie unterstellt und das ist einfach lächerlich! Wenn es nach der Antifa geht, kann kein einziges Rap-Konzert mehr wegen Sexismus-Vorwürfen stattfinden. In unserem Lieblingsklub sollte die Elektro-Band Von Spar auftreten und die haben von der Antifa eine Mail bekommen, dass das ein Nazi-Club sei. Seitdem halten wir Abstand." Offener ist die Hip Hop-Szene, die die Band längst für sich vereinnahmet hat und überall als neuartige Verbindung von Indiegitarren und Rap anpreist. Obwohl die Musik von Kraftklub alles andere als Crossover ist, sagt Felix. "Die Hip Hop-Szene sucht schon seit Jahren verzweifelt nach Sachen, die anders sind. Vor zehn Jahren kam der harte deutsche Gangster-Rap auf, das war was Neues. Und seitdem ist nichts mehr passiert. Deshalb greifen sie nach jedem Strohhalm, selbst wenn es eigentlich eine Rockband ist wie wir. Aber wir freuen uns natürlich darüber, dass Kraftklub auch bei einem Hip Hop-Publikum wie bei Casper oder Fettes Brot funktioniert. Allerdings war die Resonanz beim Publikum bei den Konzerten mit Beatsteaks größer." Zuspruch, den die Chemnitzer jetzt auch bei ihrer ersten eigenen Headliner-Tournee erlebten. Ausverkaufte Clubs in Würzburg, Frankfurt, Leipzig oder Köln und Fans, die von der ersten Minute an mitsingen, obwohl das Debütalbum erst im Januar erscheint. Deshalb setzt die Jungs jetzt erst einmal alles auf eine Karte und planen weder Studium noch Ausbildung in der Hinterhand. "Wir leben hier in Deutschland, was soll denn passieren? Klar, Hartz 4 ist sehr wenig, aber Du kannst überleben. Du hast die Wahl zu machen, was Du willst. Das können die Menschen in vielen anderen Ländern nicht. Wir sind alle Anfang 20 und haben alle noch keine Familie oder Verpflichtungen. Und wir haben das große Glück und verdienen sogar noch Geld mit unserer Musik. Uns ist schon klar, dass das nicht ewig geht und sehr schnell wieder vorbei sein kann. Aber irgendwann kann man seinen Kindern erzählen: Als ich so alt war, wie ihr, haben mir eine Menge Leute zugejubelt, das war eine geile Zeit! Ich bin 24 Stunden am Tag mit meinen besten Freunden unterwegs und das würde ich momentan für nichts in der Welt eintauschen."

Wolfram Hanke

 

KONZERTBERICHT

Kraftklub Cairo Würzburg 08.11.2011
Noch nie zuvor war das Cairo in seiner Geschichte wohl so schnell ausverkauft. Die etwa 200 Tickets für die Show von Kraftklub waren schon Wochen vor dem Termin ratzfatz weg und ein paar Tage vor dem Konzert hätte man wohl satte Gewinne auf Ebay für ein Ticket in Würzburg eingefahren. So viele Ticketverkäufer sieht man vor dem Würzburger Jugendkulturhaus selten. Denn Kraftklub sind heiß. Die Jungs aus Chemnitz waren schon mit Beatsteaks, Casper und Fettes Brot auf Tour und haben beim Bundesvision Song Contest vor ein paar Monaten Platz 5 eingeheimst. Die Fans singen die Strophen und Refrains vom ersten Takt an mit. Die Band trägt einheitlich schwarz-weiße College-Jacken und darunter weiße Polohemden mit dem Bandemblem auf der Brust. Und auch akustisch ähneln die Sachsen der schwedischen Band The Hives. Es gibt stramme Schlagzeugbeats und Stakkato-Riffs. Dazu liefert Frontmann Felix Sprechgesang im Stil von Mediengruppe Telekommander. Slogans zum Mitgrölen wie "Nie wieder Ritalin!", "Mein Leben ist ein Arschloch!" oder "Ich komme aus Karl-Marx-Stadt! Ich bin ein Verlierer, Baby!" Zwischendurch verteilen die Girls aus der ersten Reihe einen ganzen Kasten Wasser im Publikum. Alles trieft, die Verstärker brummen und der Dampf im Cairo-Saal erreicht Sauna-Dimensionen. Vor allem bei den Hits "Ich will nicht nach Berlin", "Zu jung" oder "Scheißindiedisco" gibt es keinen Entrinnen mehr. Eineinhalb Stunden lang dauert die sächsische Turnstunde und dabei veröffentlichen Kraftklub erst im Januar ihr Debütalbum. Das nächste Konzert wird wohl in der Posthalle sein. Respekt!

wh