.rcn - event & music – Seit 34 Jahren gratis! Wir rocken Franken!

Die Infos zur neuen Datenschutzverordnung lest Ihr ganz unten auf der Seite oder über diesen Direktlink:
Hinweise zum Datenschutz auf www.rcnmagazin.de

NEUIGKEITEN/AKTUELLES EINZELANSICHT

SO WAR: VAINSTREAM ROCKFEST, 09.06.2012, MÜNSTER-HAVERKAMP

Kurz nach RIP war in Münster/Westfalen das Vainstream Festival. Da gab es Smoke Blow, August Burns Red, Enter Shikari, Lagwagon, Broilers, Refused, Gaslight Anthem und... ´Slayer. Ein Kontrast zu RIP was Fans, Stimmung und Wohlfühlfaktor angeht wie Tag und Nacht. Wollhank Franke war für uns vor Ort und hier seine Zeilen!
SO WAR: VAINSTREAM ROCKFEST, 09.06.2012, MÜNSTER-HAVERKAMP
Mastodon, Foto: Hanke

VAINSTREAM ROCKFEST, 09.06.2012, MÜNSTER-HAVERKAMP

Eine Woche nach Rock im Park gibt es erstklassiges Kontrastprogramm in Münster: das Vainstream Rockfest mit echten Musikfans, kurzen Wegen, fairen Preisen und kaum spürbaren Umbaupausen. Die zwei Bühnen stehen auf einem asphaltierten Hinterhof irgendwo nahe der Halle Münsterland. Die Zahl der besoffenen Hedonisten ist angenehm gering und die Quote an brauchbaren Bands überdurchschnittlich hoch.

Wir starten ins Programm mit Smoke Blow, einer Old School-Hardcore Band aus Kiel. Die Jungs um Sänger Jack Letten geben vom ersten Moment an Vollgas. MC Straßenköter – der zweite Mann am Mikrofon – humpelt sogar mit Krücke über die Bühne. Für Smoke Blow ist es wohl einer der letzten Auftritte überhaupt. Die Band hat nach 15 Jahren beschlossen, keine Alben mehr zur veröffentlichen und nur Konzerte zu spielen „wenn sie Lust darauf hat.“ Dementsprechend stehen die Shows dieses Jahr unter dem Motto „The Last Tour On Earth“. Schade!

Auf der anderen Bühne geht’s gleich weiter mit den Mad Caddies. Die Gute-Laune-Garanten aus Kalifornien gehören mit ihren Ska- und Dixieland-Sounds zu den Exoten im Teilnehmerfeld. Und deshalb ziehen sich die harten Jungs eher zum Biertrinken zurück und der weibliche Teil des Publikums lässt in den ersten Reihen das Tanzbein schwingen. Wir wundern uns, wie viele großflächig tätowierte Mädels es inzwischen gibt.

Im Anschluss folgen mit August Burns Red und Enter Shikari zwei komplett überflüssige Bands. August Burns Red machen kommerziell erfolgreichen Metalcore, brüllen wie am Spieß und sehen selbst aus wie Milchbubis. Kein Wunder, die Jungs aus Lancaster / Pennsylvania gelten als christlich inspirierte Metalcore-Band und wollen mit Schreien junge Menschen bekehren. Nein danke! Enter Shikari kommen aus St. Albans in England und sind eine Mischung aus Hardcore und Techno. Die Band selbst nennt ihren Stil Trancecore. Beim Publikum kommt die Kombination aus Synthesizern, Metalgitarren und Gebrüll gut an. Bei uns nicht.
 

Foto: Hanke

Zeit für was Vernünftiges: die California-Punk-Veteranen Lagwagon! Seit über 20 Jahren sind Sänger Joey Cape & Co. schon unterwegs und sie sind immer noch genauso gut wie am ersten Tag. Leider gönnen sich die Metalcore-Fans nach den erschöpfenden Darbietungen der beiden Vorgängerbands eine kurze Verschnaufpause, deshalb ist es bei Lagwagon ein bisschen leerer vor der Bühne. Egal, mehr Platz für uns! Das ändert sich schnell wieder, als Mastodon aus Atlanta / Georgia übernehmen. Die vier archaisch anmutenden Gestalten lassen ein gewaltiges Gewitter aus schweren Gitarrenriffs, komplexen Rhythmen und langen Instrumentalteils los. Völlig zurecht gelten Troy Sanders, Brent Hinds, Bill Kelliher und Brann Dailor als Zukunft des Metals. Einer Spielart, die sich eigentlich seit Jahren im Kreis dreht!
 

Foto: Hanke

Bei Caliban und vor allem bei K.I.Z. gönnen wir uns mal eine kleine Verschnaufpause und einen Blick auf die reichhaltige Speisekarte. Dank der stilistischen Ausrichtung auf Punk und Hardcore gibt es beim Vainstream unzählige Stände mit veganen, politisch korrekten aber auch konservativen Festival-Grundnahrungsmitteln. Mit den Broilers steigen wir dann ins Finale des Festivals ein. Die Oi-Punkband aus Düsseldorf hat schon seit Jahren den Underground-Status hinter sich gelassen und kann auf viele textsichere Fans im Publikum zählen. Ihnen wird vorausgesagt, irgendwann mal die Toten Hosen zu beerben, wenn die mal in den Ruhestand gehen. Ich glaub ja nicht dran! Egal, die Broilers machen gute Laune und das Wetter hält, das ist die Hauptsache!

Auf der anderen Bühne geht’s dann weiter mit dem eigentlichen Grund, warum viele zum Vainstream gekommen sind: Refused aus Schweden. Mit ihrem Album „The Shape Of Punk To Come“ hat die Band Geschichte geschrieben und sich 1998 nach nur sechs Jahren viel zu früh aufgelöst. Sänger Dennis Lyxzen war danach mit diversen Bands wie The (International) Noise Conspiracy oder The Lost Patrol Band unterwegs. Aber nie war Dennis so gut wie mit Refused. Das wird 14 Jahre nach dem Split deutlich. Die kraftvollen Songs sind von zeitloser Schönheit und Wucht. Refused erobern die Herzen des Publikums im Sturm und werden vor allem für ihre Hymne „New Noise“ frenetisch abgefeiert. Hoffentlich bleibt es nicht nur bei den bisher angekündigten Reunion-Shows.

Fast zeitgleich mit dem ersten deutschen EM-Gruppenspiel gegen Portugal starten dann The Gaslight Anthem aus New Jersey. Nebenan gibt’s die Möglichkeit, auf einem großen Bildschirm dabei zu sein, aber wir entscheiden uns für die Musik. Es zeigt sich, dass die Klone von Bruce Springsteen genauso zäh sind, wie die erste Hälfte des Vorrunden-Kicks. Eine völlig überschätzte Band, die am Nachmittag viel besser aufgehoben gewesen wäre.

Aber die Aufregung steigt und zwar nicht, weil das Spiel der Deutschen besser wird, sondern weil mit Slayer der Top Act des Festivals auf dem Programm steht. Schon bei der Enthüllung des Backdrops gibt’s Jubel. Und als Tom Araya zu den Klängen von „South Of Heaven“ ungewohnt fröhlich in die Menge winkt, gibt es kein Halten mehr. Die Großmeister des Thrash Metal räumen gnadenlos ab. Schlagzeuger Dave Lombardo befeuert die Menge mit Double-Bass-Attacken und die beiden Gitarristen Kerry King und Exodus-Saitenschwinger Gary Holt (vertritt den an einem Spinnenbiss erkrankten Jeff Hanneman) sägen sich durch das präzise Set. Selbst brandneue Songs wie „World Painted Blood“ klingen bei Slayer wie Klassiker. Sie bringen „Raining Blood“, „Criminally Insane“ und „Angel Of Death“ und alle sind glücklich und erschöpft.

Fast unbemerkt hat Mario Gomez das Siegtor gegen Portugal geschossen und wir treten den Heimweg durch den deutschen Party-Mob im Autokorso- / Public Viewing-Wahn an. Ein schöner Abend!

Wolfram Hanke