DVD REZI DOKU
HADWIN’S JUDGEMENT
UNIVERSUM FILM
(VÖ: Frühjahr 2016)
Der Holzfäller und die Albino-Fichte
Rein vom Film her ist „Hadwin’s Judgement“ - im Frühjahr 2016
auf Universum Film erstmals in Deutschland veröffentlicht - die
Eier legenden Wollmilchsau für alle Waldzeit-Leser. Eine
Mischung aus hochwertigem Dokumentarfilm, Plädoyer für eine
kritische Haltung zur sogenannten „nachhaltigen“
Forstwirtschaft, Denkanstoss für eine neue Betrachtungsweise
der Tat eines Öko-Terrosisten und Portrait eines Traumberufs
für viele waldaffine Naturburschen. Atemberaubende und
meditative Aufnahmen der Nebelwälder British Columbias treffen
auf die Haida Ureineinwohner und ihre Heimat, vermengt mit
perspektivisch spektakulär inszenierten Szenen von
Monster-Harvestern und zwei Hauptdarstellern: Dem
Forstingenieur Grant Hadwin und einem Baum namens Kiid K’iyaas.
Letztere eine Art Albinofichte, die seit Jahrhunderten solitär
mit goldfarbenen Nadeln inmitten der grandiosen Baumbestände
der großen kanadischen Insel Haida Gwaii steht und von den
Ureinwohnern dort als Stammesmitglied verehrt wird. Sollte sie
sterben, und der Baum hatte in unseren Zeiten sicher noch
einige Jahrhunderte vor sich, dann ist auch für den Stamm der
Haida die letzte Generation gekommen, so die Legende.
Sitka-Fichten sind die größten und am ältesten werdenden
Vertreter ihrer Familie, aber „The Golden Spruce“ war einmalig.
1997 fällte Grant Hadwin ebendiesen Baum, saß für kurze Zeit in
Untersuchungshaft und setzte sich aus Angst vor Lynchjustiz vor
seiner finalen Gerichtsverhandlung ab. Manche sagen, er habe
seinen Suizid inszeniert, um in der Wildnis abzutauchen, andere
denken, er wäre bei der gefährlichen Überfahrt mit dem Kajak
tatsächlich umgekommen. Recherchiert man etwas zu der Person
Grant Hadwin, seiner Tat und dem Hergang, so bleibt eher der
Stempel „Öko Terrorist versucht auf den Raubbau an der Natur
aufmerksam zu machen und fällt ausgerechnet das heiligste der
Ureinwohner, falsches Ziel, falsche Wirkung“. „Hadwin’s
Judgement“ nähert sich der Tat von einer anderen Seite.
Zunächst war er viel in den Wäldern unterwegs, um seinen
Arbeitgebern die besten Bäume ausfindig zu machen, außerdem war
er talentiert, die richtigen Routen für die Abfuhrwege
festzulegen. Zunehmend bereitete ihn das Unbehagen, als er sah,
dass die unersättlichen Holzfirmen nur Kahlschläge
hinterließen. Auf dem verödeten Flächen fehlte der Humus, der
gesunden Baumwuchs der Urwälder förderte. Grant schrieb Briefe
an die Firmen und kitisierte deren Vorgehen. Kündigte
schließlich und scheiterte als Selbstständiger mit einem
Kleinsägewerk. Im Film kommen die Ureinwohner zu Wort, Kollegen
aus Grants Umfeld und diverse Sachverständige. Trumpf aber sind
die grandiosen Bilder der Wälder in sattem Grün, perfekt
inszeniert und unendlich ästhetisch. Darin der Schauspieler,
der Grant darstellte. Alles in allem wohl eine gelungene
Aufarbeitung all der Geschehnisse, die nicht im Web darüber zu
finden sind. Der mehrmals preisgekrönte Film rechtfertigt
nichts, nimmt einem aber sofort mit auf eine Reise nach British
Columbia. Nicht wenige werden sich sagen: Dorthin muss ich
irgendwann einmal reisen... Zu empfehlen: Vor dem Genuss des
Films die Wiki-Einträge studieren, dann erst den Film
anschauen!
Weitere Infos:
www.hadwinsjudgement.com
DVD oder BluRay „Hadwin's Judgement - Ein Vermächtnis für die
Umwelt“, seit März 2016 im Handel
www.wikipedia.org/wiki/Kiidk'yaas
(über die Goldene Fichte)
www.wikipedia.org/wiki/Grant_Hadwin
(über den Forstingenieur)
Literatur: John Vaillant: Am Ende der Wildnis. Verlag
Blessing, München. 367 S., über genau die selbe Geschichte.
EF
8 von 9 Punkten
