ERIK COHEN
WEISSES RAUSCHEN
RYL NKR RECORDINGS / ROUGH TRADE
Deutschrock. Ein Abziehbild, das gerade in den letzten Jahren einen ziemlich fahlen, politisch rechtsgerichteten Beigeschmack durch die üblichen Verdächtigen aus der Pegida-Sprachrohr-Musikerfraktion für natural-benachteiligte Zeitgenossen bekommen hat. Erik Cohen macht auch deutsche Rockmusik, aber von einer ganz anderen Sorte. Politisch passiert textlich auf dem neuen Album des Kieler Smoke Blow-Frontmanns eigentlich nichts erfassbares, dafür umso mehr handwerklich und sprachlichkünstlerisch perfektes. Die besten Scheiben sind halt immer noch die, welche man in kein Genre richtig einordnen kann. Konnte man einen Udo Lindenberg jemals in ein Genre stecken? Wohin verorte ich einen Grönemeyer oder diese Tage einen Daniel Wirtz? „Weisses Rauschen“ kann man ebenso nirgendwo einordnen. Textlich ist Cohen aka Jack Letten ein typischer norddeutscher Songpoet ohne Doktortitel, die akademische Note eines Thees Uhlmann von der Nordseeseite sucht man in Cohens windumwehten Ostseetexten vergeblich, aus der Seele sprechen sie einen trotzdem an vielen Stellen. Und dann die Musik. Seine Kult-Stammband Smoke Blow ist ja mehr im Hardcorepunk zuhause, Cohen reduziert sich auf den eigenen Plattenschrank und will einfach mit kommerziell orientierten Dark-Rock unterhalten. Siehe Songs wie „Deine Dämonen“ oder „Schattenland“. Der Produktion umweht eine spürbare Melancholie, das leicht knarzige Naturell der Küstenbewohner ist deutlich heraus zu hören. Humor ist gut versteckt und tritt vereinzelt an die Oberfläche, zum Beispiel beim Song „Tapete“, der durchaus bei einer hippieesken Bandprobe unter Zuhilfenahme von THC-haltigen Räucherwerk entstanden sein könnte. Schon Cohens Debut überraschte durch seine individuelle Note und Langlebigkeit, der Zweitling ist ebenso gut gelungen und das wichtigste: Ein wirklich schlechter Song ist definitiv nicht darauf zu finden. Wo Smoke Blow einerseits sich immer jeglicher Kommerzialisierung entzogen haben, da wagt der stilistische Störtebecker Erik Cohen die totale Offensive und fährt mutig hinaus auf das Haifischbecken Poprock. Aber stolz und mit Anspruch!
8 von 9 Punkten
EF
ERIK COHEN
WEISSES RAUSCHEN
RYL NKR RECORDINGS / ROUGH TRADE
(VÖ 15.01.2016)
Referenzen hört man viele im Sound von Erik Cohen. Riffs, die klingen wie auf dem ersten Danzig-Album, fette Schweineorgeln wie aus den Siebzigern und Texte wie aus einem Film-Drehbuch. Und all das von einem Mann, der sich mit seiner Band Smoke Blow jahrelang durch die Punk- und Hardcore-Clubs der Republik krakelt hat. Die Solo-Songs von Erik Cohen alias Jack Letten umschmeicheln die Ohren seiner Hörer, statt ihre Beine zum wilden Pogo zu animieren. Stimmlich erinnert er streckenweise fast ein bisschen an Sami von den Broilers. „Weisses Rauschen“ liefert einige schön rockige Düsterpop-Ohrwürmer, die das Zeug zu Radiohits hätten. Aber leider gibt es bei uns nicht viele Stationen, die sich trauen so coole Underground-Musik zu spielen. Weiter so Erik äh Jack!
8 von 9 Punkten
WH