„Die wundersame Ästhetik der Schonhaltung beim
Ertrinken“ heißt der neue Roman von Florian
Weber. Den kennt man eigentlich vor allem als
Schlagzeuger von SPORTFREUNDE STILLER, der
gerne auch nach vorne an den Bühnenrand drängt. Aber seit
einigen Jahren hat der gebürtige Schrobenhausener seine Lust am
Formulieren entdeckt. Mit seinem neuen Buch geht er zum ersten
Mal auf große Lesereise kreuz und quer durch Deutschland. Am
24. März machte er Station im Stattbahnhof in Schweinfurt.
Der Roman startet mit einer bizarren Ausgangssituation. Der
Protagonist Heinrich Pohl treibt auf einer Kühlbox mitten im
Atlantik und kann sich an nichts erinnern, als er aufwacht.
Unzählige Meilen vom rettenden Ufer entfernt. Neben ihm ein
bewusstloser Clown und ein Lama, das ihn umkreist. Nach und
nach kommt die Erinnerung zurück und damit die Erkenntnis, wie
er in diese lebensbedrohliche Situation gekommen ist. „Ich saß
mal im Flugzeug und hatte zu diesem Zeitpunkt noch große
Flugangst“, erzählt der Autor. „Dann habe ich mich irgendwann
getraut, aus dem Fenster zu schauen und meinte jemanden gesehen
zu haben, der dort im Mittelmeer in den Wellen treibt. Und
unser Bassist Rüdiger, der neben mir saß, meinte nur trocken:
Du wirst von hier oben nicht einmal ein Schiff erkennen. Daraus
ist die Anfangsidee vom Mann im Meer entstanden.“
Eine Ausgangssituation, die spontan an Yann Martels Roman
„Schiffbruch mit Tiger“ erinnert, in dem der Sohn eines
Zoodirektors auf offenem Meer gemeinsam mit einem Tiger in
einem Rettungsboot treibt. Der kanadische Bestseller war aber
keine Inspiration, obwohl er das Buch gerne gelesen hat, sagt
Florian. Aus der Geschichte um den Schiffbrüchigen und seine
Begleiter entwickelt Weber in seinem Roman eine tragische
Familiengeschichte, eine Auseinandersetzung mit Krankheit und
Tod und den Versuch, das Erstrebenswerte des Lebens
aufzusaugen, wie er sagt. „Ich habe eigentlich immer eine Idee
mit der ich anfange, ohne vorher zu wissen, wie die Geschichte
enden wird“, erklärt Florian Weber seine Herangehensweise. „So
hangele ich mich von Baustelle zu Baustelle und irgendwann
nimmt das große Ganze Form an. Spätestens ab der Mitte des
Textes weiß ich dann, wo die Reise hingeht.“
Inspiration für seine Ideen bietet ihm stets das alltägliche
Leben. Situationen, in die er gerät oder Kleinigkeiten, die er
aufschnappt. Zum Beispiel resultiert der sperrige Titel des
Buches aus einer Situation auf der Bühne. Besser gesagt aus
einem kurzen Dialog zwischen ihm am Schlagzeug und dem
Sportfreunde-Bassisten Rüdiger. „Er hat sich so lahm bewegt und
ich habe ihn angebrüllt, er solle jetzt endlich mal abgehen“,
erzählt Florian und lacht. „Dann hat er sich den Rücken
gehalten und gesagt: Das ist die Ästhetik der Schonhaltung!
Weil er Schmerzen hatte. Die Formulierung fand ich einfach
super und sie hat perfekt zu meinem Protagonisten gepasst. Der
muss auch seine Schonhaltung verlassen, um sich mit seinem
Onkel auf die Reise nach Amerika zu begeben.“ Florian war
selbst anfangs skeptisch wegen des Buchtitels, hat aber dann
vom Verlag Rückenwind bekommen. Immerhin gibt es ja auch ein
sehr erfolgreiches Buch, das „Der Hundertjährige, der aus dem
Fenster stieg und verschwand“ heißt. Florian Weber hat lange
überhaupt keine Bücher gelesen, verrät er im Interview. Erst im
Studium hat ihn seine Schwester auf den Geschmack gebracht, mit
der er damals zusammengewohnt hat. Er sei war auch immer
furchtbar schlecht in Deutsch gewesen, sagt er. Für Weber ist
„Die wundersame Ästhetik der Schonhaltung beim Ertrinken“ schon
der dritte Roman.
2006 hat er seinen Debütroman „You´ll Never Walk Alone“
veröffentlicht. Eine Geschichte über Fußball und Musik. Sechs
Jahre später folgte mit „Grimms Erben“ sein zweiter Roman -
eine Collage, in der er mit verschiedenen Märchenmotiven spielt
- und jetzt eben die Familiengeschichte mit tragischem Ende.
Drei Bücher, die unterschiedlicher nicht sein könnten. „Das
liegt wahrscheinlich daran, dass ich kein gelernter
Schriftsteller bin“, meint der Autor und Musiker. „Eine
charakteristischen Stil, an dem man meine Bücher sofort
erkennt, habe ich noch nicht gefunden. Aber so arbeite ich als
Künstler eben, ich will alles ausprobieren. Ich will eine
schöne Idee haben und dieser dann folgen. Da steckt kein Kalkül
dahinter.“ Webers Romane sind im besten Sinne unterhaltsam. Als
Leser folgt man der Fährte gerne, die der Autor legt und freut
sich dann über das überraschende Ergebnis.
Genauso überraschend kam die Nachricht vom Comeback von
Sportfreunde Stiller. Fünf lange Jahre war es sehr still um die
Münchner Indie-Popper. Dieses Jahr steht ein neues Album und
eine Tour auf dem Programm. „Ich hatte immer Lust auf Musik,
aber es gab einfach unterschiedliche Auffassungen in der Band.
Andere brauchten einfach mal eine Pause und mehr Zeit für die
Familie“, erklärt der Schlagzeuger die lange Bandpause. Er
selbst hat sich in dieser Zeit mit anderen Projekten wie dem
Noise-Rock-Duo Taskete! und seinem Hip-Hop-Soloprojekt MS
Flinte beschäftigt oder seine eigene Radiosendung beim
BR-Jugendformat Puls moderiert. Sänger Peter Brugger hat sich
ans Schlagzeug gesetzt und im Dezember mit seinem Nebenprojekt
Allmšik sein Debütalbum aufgenommen. Mit Moderator Hannes
Ringlstetter am Akkordeon und dem Münchner Veranstalter Till
Hoffmann an der Gitarre. Jetzt geht es aber mit den
Sportfreunden wieder los. Mit Produzent Tobias Kuhn, dem Sänger
und Gitarristen der wohl bekanntesten Würzburger Popband Miles,
war die Band im Studio und hat 13 neue Songs eingespielt. „Es
wird kein typisches Sportfreunde-Album“, verrät Florian. „Es
gibt neuartige Töne, von denen wir selbst überrascht waren, wie
gut die klingen.“ Das Songwriting teilen sich Sänger Peter
Brugger und Florian Weber etwa zu gleichen Teile auf. Das
betrifft natürlich auch die Texte. Im Sommer sind Sportfreunde
auf großen Festivals wie Rock im Park in Nürnberg zu Gast,
spielen in der Münchner Olympiahalle im Vorprogramm von Herbert
Grönemeyer und im September gehen sie dann selbst auf Tour.
Unter anderem gastieren sie am 28. September im E-Werk in
Erlangen. Jetzt freut sich Florian Weber aber erstmal auf seine
Lesereise mit insgesamt 15 Stationen. Wenn er am 24. März im
Schweinfurter Stattbahnhof zu Gast ist, freut er sich außerdem
auf Besuch von seiner Verwandtschaft. Denn seine Frau stammt
aus Humprechtshausen im Landkreis Haßberge. Dort ist der
prominente Musiker natürlich regelmäßig zu Besuch und trainiert
dann sogar beim VfB Humprechtshausen mit. So findet er immer
die wichtige Balance zwischen seinen Leidenschaften Musik,
Literatur, Sport und natürlich seiner Familie. „Die
Schriftstellerei ist ein wunderbarer Ausgleich für mich“, sagt
er am Ende des Interviews. „Aber trotzdem ist immer genug Zeit
für die Musik. Als Standbein würde ich es nicht bezeichnen,
denn ich könnte vom Schreiben nicht meine Familie ernähren. Ich
bin sehr glücklich, dass ich meine Geschichten überhaupt
veröffentlichen darf.“ Florian Weber hat auch schon wieder die
Idee für ein neues Buch, worum es dabei geht, will er aber noch
nicht verraten. Auf jeden Fall soll es nicht wieder zehn Jahre
dauern, bis es erscheint, verspricht er und grinst.
Wolfram Hanke
NEUIGKEITEN/AKTUELLES EINZELANSICHT
FLORIAN WEBER (SPORTFREUNDE STILLER) IM INTERVIEW ÜBER SEIN NEUES BUCH (30.03.2022)
Am 24. März 2022 hat Flo von den Sportfreunden Stiller im Statti in Schweinfurt seinen dritten Roman vorgestellt. Unser Kollege Wolle Hanke hat sich mit ihm unterhalten. Dabei kam auch heraus, dass die neue Sportis-Scheibe in der Mache ist, die Band bei Rock im Park spielen wird und am 28. September 2022 im E-Werk in Erlangen spielen wird…