BASKERY, 11.1.12, E-WERK ERLANGEN
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Mittwochabend in Erlangen, die Stadt ist wie leer gefegt am
Jahresanfang und viele Bewohner zelebrieren Extrem-Couching
zuhause, um die Feiertage zu verdauen. Trotzdem finden sich ca.
100 musikalische Feinschmecker, altersmäßig zwischen
20-jährigem Indiemädel und dem typischen Mittvierziger mit
Rolling Stone-Abo, zum Baskery Gig in der Clubbühne des E-Werk
in Erlangen ein.
Zunächst aber spielten Elektrik Kezy Mezy, die für die ersten
Tage der Baskery Tour anstatt von Les Jupes aus Kanada
einsprangen. Das Münchener Duo wird natürlich gerne mit den
White Stripes verglichen, kommt aber eine Spur dreckiger daher,
und bieten neben Garage, 60er Melodien und etwas Soul vor allem
unruhige, kratzig-rockende Melodielinien. Fernab vom Pop.
Den haben Baskery besser drauf. Kritiker graben gemeinhin tief
in der Kiste für ganz spezielle Genrebezeichnungen und
Doppelnamen, mit denen man die Musik der Bondesson-Schwestern
beschreiben könnte: Mud-Country, Oldtime-Folk, Banjo-Punk,
Blues-Americana, Blues-Rockabilly, Swamp-Punk, Horse-Jazz...
egal. Hauptsache was unterm Strich dabei heraus kommt, zählt,
ein bißchen was von allem. Außer Deathmetal, Hiphop und Electro
findet sich im Sound der Schwestern, die früher deutlich
Rockabilly-lastiger noch zusammen mit ihrem Vater als The
Slaptones unter anderem mit Brian Setzer unterwegs waren,
eigentlich alles.
Ihre Stärke? Ihr Abschiedssong am Ende des Abends zeigt
deutlich das enorme stimmliche Potential der Schwestern (in
Altersreihenfolge) Greta, Stella und Sunniva: Eine Art
A-capella-Volkslied in Schwedisch, bei dem der Windsbacher
Knabenchor blaß werden würde, mit welcher Präzision das Trio
dies ohne jegliche instrumentale Begleitung vorträgt. Ganz groß
sind sie auch, wenn auf der Bühne der Schluß ihrer Stücke in
enorm groovende Sessions ausgewalzt wird und sich die Band in
großen Posen genüßlich übt. Es ist nicht der eine Hitsong, der
ihren Auftritt ausmacht, sondern die gut abgestimmte
Spielfreude mit breitem Spektrum und viel Rhythmus. Solos
werden kaum gespielt, lieber gemeinschaftlich gebrettert. Kaum
eine Band wandert derart lässig zwischen Country, Blues,
Popballaden, Liebesliedern und Oldschool-Rock und klingt dabei
wie eine vielzitierte Mischung aus den Dixie Chicks und den
Bangles. Und das ist ein ziemliches Kompliment!
Seit Dezember war das erst ihr zweiter Auftritt der laufenden
Deutschlandtour, tags zuvor spielte man in der Brotfabrik in
Frankfurt und von der Mainmetropole blieb bei den Mädels in
erster Linie "jede Menge Hundescheisse" in Erinnerung und an
den Schuhsohlen hängen. Franken dürfte den Mädels besser in
Erinnerung bleiben. In Erlangen war eigentlich gute Stimmung,
was beim meist lässig-lethargischen fränkischen Publikum keine
Selbstverständlichkeit darstellt. Wenn es überhaupt etwas zu
beanstanden gäbe, dann vielleicht die langen Pausen zwischen
den Songs, welche die Mädels technisch bedingt nicht immer mit
Anekdoten zu füllen vermochten. Sunniva verfluchte dann auch
den Moment, als sie sich vor der Tour luxuriös "drei
verschiedene Gitarren für die Tour gegönnt" hatte und stand
etwas ratlos wie ein Mädel vor dem Ausgehen in typischer "was
ziehe ich bloß an heute Abend"-Pose vor der selbstverschuldeten
Gitarrenauswahl. Die jüngste der Schwestern spricht übrigens
hervorragend Deutsch, schließlich lebt sie als einzige der drei
in Berlin statt Stockholm. Und hatte als fränkisch-patriotische
Hommage an den Glubb sogar rot-schwarz gestreifte Leggings
angezogen. Greta am Banjo, Standschlagzeug, Harp und Gitarre
hat in Schule als dritte Sprache Französisch gewählt und konnte
deshalb nur in Englisch kommentieren, während sich Stella mit
Sunniva multilingual im Ansagen ablösten.
Gebracht wurden neben Songs der Vorgängerscheibe und der
ersten EP vieles vom neuen Album. Ich kenne alle drei, wobei
sich einige schöne Melodien der aktuellen Platte "New Friends"
im Langzeittest am tiefsten ins Gedächtnis gegraben haben. Die
Scheibe braucht einige Durchläufe, hält aber lange an.
Vielleicht ist Dark-Pop der gemeinsame Nenner ihres neuen
Stils, der sich etwas weg vom Country entwickelt hat. Die
vielzitierten Vergleiche mit Katzenjammer greifen eher weniger,
und wenn, dann vor allem wegen ihres schönen
Harmoniegesangs.
Früh gegangen ist auf jeden Fall keiner, die zweite Hälfte des
Konzerts überzeugte mehr und mit etwas komprimierter Songfolge
ohne lange Pausen sollten Baskery so ziemlich auf jedem
musikalisch anspruchsvollen Sommerfestival dieses Jahr ihre
Duftmarken setzen können. Kompatibel für fast jedes
Publikum!
Ewald Funk