BUCHREZI MUSIK
NOFX mit Jeff Alulis
DIE HEPATITIS BADEWANNE UND ANDERE STORYS
EDEL BOOKS, 365 SEITEN, 23 EUR
„Die Hepatitis-Badewanne“ ist kein Buch für Zartbesaitete. So
fröhlich und bunt der California Punk-Veteranen NOFX klingt, so
erschütternd und finster sind die Abgründe, die sich dahinter
verbergen. Sänger und Bassist Fat Mike, Gitarrist Eric Melvin,
Schlagzeuger Smelly und später auch Gitarrist El Hefe erzählen
ihren eigenen Werdegang und die Geschichte der Band in allen
Einzelheiten – niedergeschrieben mit Hilfe des Autors und
Filmemachers Jeff Alulis. Teilweise – so schreiben die
Punkrocker im Buch – sind es Dinge, die nicht einmal die
anderen in der Band wussten. Dass Melvin zum Beispiel als Kind
von einem Nachbarn missbraucht wurde, hat er jahrzehntelang
verschwiegen. Und auch dass er und Fat Mike Zeuge einer
Vergewaltigung einer jungen Frau in der Punkszene von Los
Angeles wurden und hilflos zusehen mussten. Überhaupt wird die
brachiale Gewalt der südkalifornischen Punkszene zwischen
rivalisierenden Gangs wie den Suicidals oder den Jungs von
„Fight For Freedom“ FFF deutlich. Ausgeschlagene Zähne,
Knochenbrüche und Gehirnerschütterungen waren Alltag in
Locations wie dem berüchtigten Cathay de Grande in Hollywood,
wo zum Beispiel auch die Red Hot Chili Peppers ihren
allerersten Gig absolviert haben. Die einzelnen Bandmitglieder
erzählen von den ersten Jahren der Band, als sich noch niemand
für die Band so richtig interessierte. Und zwar schildern sie
dieselben Erlebnisse aus ihrer jeweiligen persönlichen
Perspektive. Das bietet eine interessanten Blick in die Tiefe.
Tiefgehend sind auch die Einblicke, die Sänger Fat Mike in
seine sexuellen Vorlieben gibt: Bondage, Cross-Dressing,
Fäkalien und mehr. Und auch, wie er sich erst für seine
Neigungen geschämt und dann nach und nach damit an die
Öffentlichkeit gegangen ist. Drummer Smelly ist schon als
kleiner Junge mit Drogen in Kontakt gekommen und hat schon früh
eine Karriere als Dealer in Betracht gezogen, wenn nicht den
Punkrock seinen Weg gekreuzt hätte. Sein jahrelanger Kampf
gegen Heroin war jahrelang ein Riesenproblem für die Band. Und
auch der zunehmende kommerzielle Erfolg von NOFX in den
Neunzigern seit „Punk In Drublic“ wird thematisiert, die
Bandphase in der Gitarrist El Hefe für zusätzlichen Drive
sorgte. Es geht aber auch um Männerfreundschaften zum Beispiel
mit Joey Cape (Lagwagon) oder Tony Sly (No Use For A Name), der
im Juli 2012 plötzlich gestorben ist. Jahrelang haben NOFX sich
geweigert, Interviews zu geben, jetzt lassen sie radikal die
Hosen runter und erzählen ihre Version der Bandgeschichte, die
mit vielen interessanten, schockierenden, aber auch anrührenden
Details punkten kann. Die Biographie von vier Jungs, die
wirklich was zu erzählen haben. Die Geschichte einer Band, die
allen kommerziellen Verlockungen wiederstanden hat, nie auf
einem Major-Label veröffentlicht hat und mit Bands wie Rancid
und Bad Religion zum Vorbild für Punkbands weltweit wurde.
Absolute Kaufempfehlung!
WH
8 von 9 Punkten
