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DESERTFEST BERLIN - 19.-21.04.2012 - STONERROCK-ELDORADO, (VOR)BERICHT MIT INTERVIEW

Vollbedienung für Stonerrockfans und Psychedelicfreaks in Berlin: Neben den 28 Bands auf drei Bühnen im Festsaal Kreuzberg und im Kulturhaus Astra, gibt es eine Kunstaustellung und auch zwei Deutschland-Filpremieren. Das alles an drei Tagen ab heute in der Hauptstadt. Unsere lang verschollene Schreiberin Anika Wiesbeck ist endlich wieder aufgetaucht und lieferte ein äußerst lesenswertes Artikelchen plus Interview mit dem Macher des Truckfighters-Films. Lest selbst...
DESERTFEST BERLIN - 19.-21.04.2012 - STONERROCK-ELDORADO, (VOR)BERICHT MIT INTERVIEW

Die kulturelle VerWüstung der Hauptstadt – Stonerrockkunst in Berlin

Chapter One: Das Desertfest 2012

Es hat lange gedauert, aber im Jahr 2012 hat Berlin nun endlich sein erstes, großes, staubtrockenes Musikfestival: Beim Desertfest betritt vom 19. bis zum 21. April eine feine Auswahl von Stoner-, Doom- und Psychedelic Bands die Bühnen. Nein, „Kyuss Lives!“ sind nicht mit dabei, dafür aber Wino (ja, DER Scott „Wino“ Weinrich). Auch für den Rest gilt: Man kennt sich beim Vornamen, die Szene ist und bleibt überschaubar. Die Headliner Orange Goblin, Motorpsycho und Colour Haze geben an insgesamt drei Tagen die Bandbreite vor: Es wird den 70ern genauso gehuldigt wie dem klassischen Stoner der 90er, die Schnittmenge stimmt so oder so. Wer sich bei den Potsdamer Newcomern Stonehenge die Portion psychedlische Ausschweifung abgeholt hat, kann sich bei Amplifier auf souveräne Spielfreude verlassen und bekommt mit den nicht mehr so bärtigen Red Fang aus Portland dann definitiv die straightesten Männer des Wüstenfestes zu hören.

Wenn man schon mal zusammen kommt, dann doch auch bitte ausführlich. Neben den 28 Bands auf drei Bühnen im Festsaal Kreuzberg und im Kulturhaus Astra, gibt es eine Kunstaustellung und auch zwei Deutschland-Filpremieren. Die französische Psychedelic DJane Shazzula liefert mit „Black Mass Rising“ laut eigener Aussage bei Facebook einen mehr oder weniger experimentellen Film. Der offzielle Trailer verspricht musikalisch apokalyptische Visionen, ganz ohne vorherigen Drogenskonsum. Muss man mögen. Wesentlich mehr Spiel, Spaß und Schweiß bietet der Einblick in das Leben der Truckfighters. Die drei Schweden gibt’s am Freitag auf der Bühne, die nackte Wahrheit zur Band wird nebenan auf der Leinwand gezeigt. RCN hat mit Filmemacher Joerg Steineck gesprochen, über die Truckfighters, Musikdokus und worum es eigentlich geht.

Chapter Two: Truckfighters Fuzzomentary
 

Im Trailer zum Film lobt ein gewisser Josh Homme die Truckfighters über den grünen Klee. Zurecht.

Rauschen, hörbare Stille im schwedischen Ödland und dann ist sie da: The Voice. Das was sie uns erzählt, diese Stimme, ist irgendwo zwischen halbgaren Lebensfloskeln und der absoluten Erkenntnis. In jedermanns Leben gibt es eine Geschichte, DIE Geschichte. Manchmal ist die Sache aufregend und spannend, manchmal nicht. Aber eigentlich, ist das ja auch Definitionssache. Und das ist es auch schon.

The Voice ist niemand Geringerer als Chris Cockrell, Gründungsmitglied von Kyuss. Das schwedische Ödland heißt eigentlich Örebro und darf sich den Stempel „gitarrenverseucht“ aufdrücken. Die Stonerrockband Truckfighters ist neben den Doomern Witchcraft die derzeit bemerkenswerteste Kapelle aus dem Städtchen. Und da sind wir dann auch schon bei der Story, DIE Story ist in diesem Fall die Geschichte von Mr. Ozo, Mr. Dango und Mr. Pezo. Seit 2001 gibt es die Truckfighters, drei Studioalben haben sie seitdem gemacht, ein paar hundert Shows gespielt und 2011 gabs die erste US-Tour.

Klingt nach ner ordentlichen Bandgeschichte. Reicht auf jeden Fall, um sich in der Szene einen Namen zu machen. Joerg Steineck wollte die Truckfighters eigentlich für seine Desert Rock Dokumentation Lo Sound Desert interviewen, aber dann hat er ein eigenständiges Filmprojekt entwickelt und es mit Christian Macijewski verwirklicht. Es ist nicht einfach eine Banddoku geworden, es ist eine Fuzzomentary.

Die Grundlage ist das Leben von drei normalen Typen, die mehr oder weniger normale Jobs haben, oder eben auch nicht. Sie arbeiten, sie wechseln zwischendurch auch mal Windeln und warten eigentlich nur auf eines: Endlich wieder auf der Bühne zu stehen und dem Venue den Schweiß aus den Poren zu spielen.

.rcn: Warum dieser Film?
Steineck: „Das frag ich mich auch. Ich hab ihn angefangen. Als ich in San Diego Film studiert habe, meinte mein Prof, dass es keinen Film gibt, der nur zur Hälfte fertig ist. Das ist wahrscheinlich das Einzige, was ich da gelernt habe, aber auch das Wichtigste. Ich wusste, das ist ne gute Story, egal, ob das ein normaler Film wird, oder eine total abgefahrene Sache. Natürlich hatte ich gehofft, auch Leute anzusprechen, die nichts mit dem Genre zu tun haben. Klar, laden ihn sich vor allem Truckfighters Fans runter, aber inzwischen haben mir viele Leute gesagt, 'Hey, ich hab den Film gesehen und hatte vorher überhaupt keinen Bezug zu der Musik und zu so abgefuckten Typen!' Das find ich gut.“

.rcn: So abgefuckt sind die doch aber gar nicht...
Steineck: „Nein, aber bevor man den Film sieht, denkt man sich ja was. Dazu gehört auch, dass man Vorurteile hat. Man hört das Wort 'Stoner Rock' und hat schon einen eigenen Plan, was da jetzt kommt. Dass es dann um viel wichtigere, elementare und vor allem zwischenmenschliche Dinge geht, ist den Leuten ja erstmal nicht bewusst.“

.rcn: Warum diese Band?
Steineck: „Wir haben die Jungs gesehen, haben ziemlich gut gefunden, was die so gemacht haben, fanden die Musik interessant und als wir sie kennen gelernt haben, waren die halt super. Wir hatten auch den gleichen Humor, was sehr wichtig ist und haben uns darauf verständigt, dass wir von unserer Seite aus machen können was wir wollen.“
 

.rcn: Die Truckfighters Fuzzomentary ist nicht der erste Film über eine Band, aber einer der wenigen, bei denen man schon nach fünf Minuten nur einen Gedanken hat: „Ab zu den Jungs in den stinkenden, schweißnassen Club, Bier her, los geht’s. Das Leben ist schön, weil es RocknRoll gibt.“ Ging es Euch bei der Arbeit am Film auch so?
Steineck: „Ja klar! Ich habe den Film sehr oft alleine geschnitten, aber wenn wir zu zweit daran gesessen sind, haben wir auch mal was getrunken und dann kam schon ab und zu mal dieses Vorkonzertfeeling auf. Das hat sich dann auch auf den Film übertragen. Das macht das ganze interessanter, ich denke der Film geht gut rein.“

.rcn: Nicht nur das, man wird auch immer wieder überrascht, vor allem was die Entwicklung der einzelnen Bandmitglieder angeht.
Steineck: „Ich glaube, dass liegt vor allem an deren Charakteren. Mr. Dango ist z.B. das absolute Gegenteil von Mr. Pezo. Ich denke das hat man nicht so oft in Bands. Ne Band ist ja wie ne Familie oder eine Beziehung, Leute, die sich anziehen, kommen ja auch eher zusammen. Bei den Truckfighters ist es so, dass sie ein Konzept haben, genau wissen was sie wollen und wie ihre Musik und ihre nächste Platte aussehen soll. Sie wissen auch, dass sie sich trotz aller Verschiedenheit gegenseitig brauchen, um was auf die Beine zu stellen. Nebenbei haben sie außerdem auch noch denselben völlig obstrusen Humor.“

.rcn: Und den teilt ihr als Filmemacher ebenfalls mit der Band, hast du ja schon erwähnt. Das sieht man auch bei der Bandhistory als Fotocollage und so ne Monthy Python artige Cut-Out-Animation.
Steineck: „Naja, man muss ja während des Films auch irgendwann mal die Geschichte der Band erzählen, man muss das alles einordnen. Wenn du die Band nur begleitest, dann ist das eine Reportage, kein Dokumentarfilm. Eigentlich ist es eine Fusion, ein Filmformat aus mehreren Elementen. Es war schon geplant, dass wir hier etwas machen, was es so vorher noch nicht gegeben hat. Insgesamt ist das aber ein ziemlich punkartiger Film, den wir da zusammen geschraubt haben.“

Ein punkartiger Film, in dem die Band selbst von ihrem Leben in Örebro erzählt, von Drogenproblemen, gesundem Essen, dem großen Drummer Dilemma und dem spektakulären Breadfight beim Toursupport für Fu Manchu und Valient Thorr (ja, es geht um Brot, sehr hartes Brot). Die Kamera ist bei den Aufnahmen ihres dritten Studioalbums Mania dabei und auch auf der Tour durch Europa. Kurz vor Schluss gibt es einen Acid Trip mäßigen Newsausblick auf die glorreiche Zukunft der Band, wie man ihn sich dramatischer nicht wünschen könnte. Das Highlight für alle, die zumindest musikalische Grundkenntnisse der Desert Rock Szene haben, sind ohne Frage die Sequenzen mit Stonergröße Josh Homme (u.a. Queens of the Stoneage, Kyuss) und Kollegen wie Alfredo Hernández und Nick Oliveri. Sie erzählen von ihrer Jugend (!) mit der Musik der Truckfighters und wie wichtig die Band für die ganze Szene schon immer war. Bei Musik aus der Wüste kann eben auch mal eine Fata Morgana auftauchen, es geht nicht um die Wahrheit, sondern um die Story, DIE Story, und die richtige Attitüde. Um es mit Josh Hommes' Worten zu sagen: „Beatles - Schneedles, Rolling Stones - Rolling Bones, Truckfighters - thats that good shit!“

Anika Wiesbeck

Trailer zum Fim:

www.youtube.com

Seite zum Film:

www.truckfightersfilm.de/

Seite zum Festival:

www.desertfest.de/