BIFFY CLYRO
OPPOSITES
WB RECORDS / WARNER
Es gab vor Jahren schon einmal eine Band aus England, die für
ihre vertrackte Rockmusik bekannt war, und neben ein paar
Teenies damals eigentlich nur Musikern gefiel. Die Band hieß
Muse, sie sind inzwischen durch die berühmte Decke gegangen und
sie spielen in Stadien vor Publikum allen Alters und glauben,
gerade Queen zu sein. Jetzt ist wohl auch die Zeit für Biffy
Clyro gekommen, durch die Decke zu gehen um irgendwann in den
Stadien zu landen... Beim allerersten Anhören über ein
Journalisten-Streamportal erkannte man sofort den typischen
Biffy Clyro-Sound aber mehr als zwei Single-reife Songs waren
nicht auszumachen. Hält man aber nun die haptische Version mit
zwei CDs und einer DVD als anspruchsvolles Digipack mit tollem
Artwork in den Händen, ist der Eindruck schon ein anderer. Vor
allem nach einem Dauertest. Bei bei langweiligen Platten skippt
man ständig weiter, hier nicht. Sehr emotionale
Mitsing-Refrains, hymnenhafte Hooklines und ab und zu auch mal
richtig kernige Heavyrock-Passagen sind dermaßen reich über die
20 Songs verteilt, dass man von Anfang an weiß, lange Freude an
dieser Platte zu haben. Denn: Wie bei einem guten Film erkennt
man erst nach mehrmaligen Durchhören all diese liebevoll
gemachten Details, die diesen Progrock Deluxe irgendwie zum
Poprock machen, weil Songstrukturen immer ineinander fließen
und nicht abrupt stocken. Man ist also nicht überfordert von
der Platte, trotz der Opulenz. Piano, Dudelsack, sogar
Mariachi-Trompeten sind zu finden. Die zwei CDs sind fast wie
ein komletter Herr der Ringe Film in Ton. Ruhige, verträumte
Passagen wechseln mit der Biffy-typischen Dramatik, die von
einem überzeugend gesungenen Text gekrönt wird. Für dieses
Album werden mit Sicherheit Unmengen an Feuerzeugen bei den
Festivals im Sommer drauf gehen. Auf der DVD ist die
Entstehungsgeschichte der Platte in ansprechend gefilmter Optik
geschildert. Die drei Schotten und ihr Produzent GGGarth
erzählen aus dem Nähkästchen. Der Kanadier Garth Richardson ist
dabei noch einigermaßen verständlich. Wenn aber die
Johnston-Brüder oder Sänger und Gitarrist Simon Neil zum
schotteln beginnen, kapituliere ich. Insofern bleiben nur
Fragmente und hier wären zumindest englische Untertitel
hilfreich gewesen für Resteuropa. Nimmt man alles zusammen,
gibt es hier viel, viel gute Musik, die lange anhalten wird für
das Geld. Man kauft sich nicht irgendwelche Plastikmusik,
sondern seriösen handgemachten Rock, für den man sich bei
niemanden schämen muss. Es gibt also doch ein Leben neben der
"Geboren um zu leben"-Fraktion und Biffy Clyro sind die neuen
Helden dieser Fangruppe und auf dem aufsteigenden Ast dazu. Sie
haben mit dem neuen Album weder selbst verkauft noch
verleugnet, haben die alten Fans nicht vor den Kopf gestoßen
und werden mit Sicherheit eine ganze Menge neue dazu bekommen.
EF
9 VON 9 PUNKTEN
