FEUERSCHWANZ
LANGVERSION TITELSTORY AUS HEFT .rcn 239 JUNI 2020
Platz drei in den Charts ist schon mal hervorragend. Wer hätte von den über Met und Miezen singenden, rüstungstragenden Franken von Feuerschwanz vor 10 Jahren erwartet, was da irgendwann für ein Album kommt. Wie aus dem Gedanken, dass eine Mittelalterband doch auch einmal eine Schippe Humor vertragen könnte, eine Gruppe wurde, die mit den ungeschriebenen Regeln des Genres nicht nur den Boden aufwischt, sondern auch mit „Das Elfte Gebot“ eines der stärksten Alben des bisherigen Jahres gemacht haben ist kein Zufall. Das einstige Gelächter wurde nicht allein aufgrund der perfekten Synthese aus Metal und Mittelalter zu Jubel, auch die Tatsache, dass Feuerschwanz genau wissen wer sie sind und was sie wollen spielen dabei eine große Rolle. Wir haben uns mit Ben aka Prinz Hodenherz und Peter aka Hauptmann Feuerschwanz in einem historischen Nürnberger Biergarten getroffen, um von ihnen zu erfahren wie ihr Bandleben durch die aktuelle Klopapierkrise und den Labelwechsel verändert wurde, was sie bei ihrem Besuch auf Burg Abenberg erlebt haben und allem voran wie aus der kleinen Feuerechse ein mächtiger Drache werden konnte.
.rcn Magazin: Wie war denn bisher das Feedback aufs neue Album?
Ben: Gut. Eine Nachricht davon ging runter wie Öl. Da schrieb jemand: ‚Ich habe vor zehn Jahren Feuerschwanz auf dem Feuertanz gesehen und mir versucht den Aufritt mit ein paar Spaltern schön zu saufen. Das hat damals nicht funktioniert. Zehn Jahre später kommt nun diese CD und ich frage mich, wie das nur so geil werden konnte.‘ Das gefällt mir daran am besten.
Peter: Das ist zwar hart, wenn uns jemand vor zehn Jahren Scheiße fand und man das nach Jahren dann hört, aber ich kann es verstehen. Wir haben damals ja auch knallhart Partymusik gemacht und dabei ja auch selber einige Bierchen genossen. Wir haben in diesen zehn Jahren schon eine ganz schöne Wandlung durchgemacht.
.rcn Magazin: Wann war der erste Moment, in dem entschieden wurde, wir machen ein neues Album und der zweite, bei dem entschieden wurde, was machen wir denn für ein neues Album?
Peter: Unser letztes Album „Methämmer“ wurde von den Kritikern durchgefeiert. Wir haben uns daher gefragt wie man das noch einmal überbieten kann. Unser Ansporn war, dass wir nicht wussten, ob wir ein noch besseres Album machen können. Diese Motivation werden wir jetzt wieder haben. Ich bin ein Typ, der sich die Lücken sucht und sich darüber Gedanken macht, was an der letzten Platte vielleicht noch nicht ganz so rund war. Diese Lücken versuche ich jetzt auszufüllen und geiler zu machen. Das, was schon geil war, wird eben noch geiler gemacht. Die Suche nach Verbesserungspunkten und der Wille ein noch runderes Produkt abzuliefern war in diesem Fall ein Zündfunken. Das Album war aber nicht reine Genialität eines einzelnen, auch wenn ich das gerne sagen würde, sondern eine Teamleistung. Nur weil wir zu Napalm Records gewechselt sind, bedeutet das nicht, dass das Label uns den Erfolg in den Arsch bläst. Durch den Wechsel mussten wir uns eher fragen, wo wir eigentlich hin wollen. Wir haben uns sehr viel mit uns selbst beschäftigt, dadurch wurde unsere Geschlossenheit enger und bewusster für einander. Die ganzen Videos zum neuen Album hätte man sonst gar nicht stemmen können, das war vom Aufwand nämlich gnadenlose Selbstausbeutung. Da ist es dann auch egal ob eine geldscheißende Plattenfirma einem im Rücken sitzt. All das, was in diesem Album steckt, ist eine Teamleistung. Das ist das große Fazit, welches wir aus diesem Album mitgenommen haben und wir wollen es nicht missen.
.rcn Magazin: Ben, wie war das bei dir?
Ben: Methämmer war eine gute Weichenstellung. Wir wussten, dass wenn wir den Mittelalter/Folk Gedanken noch härter schmieden wollen, wir einen Berater suchen müssen, bei dem man schon länger im Gespräch ist. Es gab eigentlich nur einen an den wir uns richten wollten, aber der war mit Größeren und Wichtigeren beschäftigt. Dann hat er irgendwann gemerkt, dass wenn wir so weitermachen, wir auch mal groß und wichtig werden könnten. Also hat er uns Verbesserungsvorschläge gegeben und wir haben versucht unsere Hausaufgaben zu machen. Das ging Jahre so und bei „Methämmer“ hat man es dann gemerkt. Wir haben dadurch gelernt, Aufgaben in der Band noch klarer zu verteilen und einfach noch mehr zu machen als davor. Wenn wir im Geschäft mithalten wollen, dann brauchen wir im Vorfeld doppelt so viele Videos zum Beispiel. Das haben wir bisher immer nur geplant und jetzt haben wir es geschafft.
Peter: Bei unserem Bandnamen muss man sowieso doppelt so viel arbeiten wie andere…
Ben: Andernfalls bekommt man nur die Reste hinterhergespuckt. Mittlerweile haben sich aber alle einmal wegen unseres Namens aufgeregt und dann abgeregt und geschluckt, dass wir halt Feuerschwanz heißen und das Album aber doch ganz gut ist. Bezeichnend in Sachen unserer vor Jahren festgelegten Künstlernamen war die Einfahrt zur Aufzeichnung vom ZDF Fernsehergarten, weil da alles, besonders jetzt mit Corona, sehr offiziell ist und an der Pforte nur unsere Künstlernamen hinterlegt waren. Ich musste also sagen: ‚Hallo, ich bin der Prinz Hodenherz und ich spiel hier heute‘. Der Pförtner hakt das dann auf seinem Klemmbrett ab, lacht sich ins Fäustchen und fragt noch einmal, wie der Name nochmal gleich war. Ich sage dann ‚Ja Hodenherz, sag es nicht so laut, ich finde den Namen ja selber blöd.‘ Sehr bezeichnend dafür, dass man aus einer anderen Zeit seinen Humor mitnimmt in eine professionelle Musikwelt.
Peter: Setz doch noch einen drauf. Erzähle die Geschichte von Johanna von der Vögelweide! „Für sie immer noch Vögelweide!“ hat sie dem Pförtner gesagt, der sie davor Johanna von der Vogelweide genannt hat.
Ben: Ja. Wir haben den Humor von früher einfach mitgenommen, aber das fühlt sich auch gut an. Bei der Musik machen wir ja das gleiche. Die Entscheidung Metal zu machen kommt ja auch daher, dass sich Mittelaltermusik immer gerne mit anderen Genres mischt. Das sieht man am Feuertanz Festival jedes Jahr. Vielleicht ist das subjektiv, aber ich finde die Kombination Mittelalter mit Grufti, Darkwave und so ein wenig altbacken. Grufti war ich nie, ich habe lieber Iron Maiden gehört. Und was Schrubberpunkrock aus dem Ruhrgebiet angeht, da gibt es andere Musiker, die das besser machen. Wir von Feuerschwanz waren halt alle früher einmal voll auf Metal.
Peter: Unser Gitarrist, der Hans würde das auch nicht mitmachen, wenn wir ihm sagen, dass wir jetzt als nächstes Tote Hosen Sound machen wollen.
Ben: Ich schreibe häufiger Songs und sage: ‚Komm das machen wir jetzt ein bisschen punkig: E-Moll, C, G, D…‘ dann sagt der Hans: ‚Halt dein Maul. Ich meide diese Akkorde wie der Teufel das Weihwasser‘. Aber genau dieses Spannungsfeld macht unsere Mucke so besonders.
.rcn Magazin: Viele Bands wollen ja seit Jahren vom traditionellen Mittelalterfolksound weg. Lediglich Schandmaul bewegen sich grad noch so in ihrer eigenen Folk-Erzähl-Kiste.
Ben: Ja, gedreht haben sie sich.
Peter: Einmal andersherum gedreht haben sie sich, sind aber immer noch ihrem Stil treu geblieben.
.rcn Magazin: Der Sänger Thomas ist als lebendiger Erzähler halt das absolute Markenzeichen der Band, dazu gehören dann noch zwei Damen links und rechts dazu.
Peter: Genau die Mannschaftsaufstellung. Eins, zwei und dann hinter noch eine Dreierreihe, passt, das ist Schandmaul!
Ben: Wir sagen nimmer liebevoll ‚Die Lederhosengang‘.
.rcn Magazin: Es ist schon interessant, wie sich alle Bands so weiter entwickelt haben. Saltatio Mortis zum Beispiel hab ich schon früh am Feuertanz zum ersten Mal live gesehen und Hölle, Hölle, Hölle was aus denen geworden ist, also Hut ab. Aber In Extremo zum Beispiel haben ja als Vorreiter dieses Genres vorgemacht, wie man so richtig auf der Welle des Erfolgs mitreiten kann, aber auch nur bis zu einem gewissen Punkt. Da ist dann glaube irgendwann der Punk bei ihnen durchgebrochen. So mit dieser ‚Wir beugen uns vor niemandem‘-Attitüde und so. Noch ein klein wenig ‚wir verkaufen uns nicht mehr‘ dazu noch vielleicht. Das fand ich eigentlich ganz gut.
Ben: Na ja, wenn manche Bands Texte schreiben, ist das wie wenn ich die E-Gitarre spielen versuche. Irgendwann ist der Punkt erreicht an dem man es nicht besser kann und sich halt auf den Arsch hocken muss und üben.
.rcn Magazin: Das würde mich auch noch interessieren. Auf dem Album höre ich manchmal zwei E-Gitarren. Wer macht denn eigentlich die Begleitung für die Leadgitarre, wenn ihr auf der Bühne steht?
Ben: Der Hans macht das schon. Wir haben inzwischen einen metal-tauglichen Bassisten, der das so unterfüttert, dass es gut klingt.
Peter: Es klingt live natürlich etwas dünner als auf dem Album, weil Hans halt nur ein Mann auf der Bühne ist. Er kann sich nicht gleichzeitig begleiten während er seine Soli spielt und davon hat er einige auf dem Album. Auf „Malleus“ zum Beispiel, lass uns doch da mal drüber reden… Die Weirdness, die in dem Brief auf den der Text steckt, wird von Hans einfach musikalisch und dramatisch weitergeführt und gleichzeitig wird so ein großes amerikanisches Gitarrenkino gespielt.
Ben: Ganz groß! Der Hans… Wir sagen immer: Ein Rennpferd gehört auf die Rennstrecke und nicht auf den Acker. Vor zehn Jahren musste er noch bei Feuerschwanz den Acker pflügen. Jetzt darf er Gas geben. Wir orientieren uns übrigens da textlich bei dem Song an den allergrößten Beispielen. „Malleus Maleficarum“ ist ganz klassische, dunkle Mittelalter Lyrik. Da muss man so ein Thema natürlich richtig recherchieren, um es wirklich zu verstehen. Der Typ, der das schrieb ist wirklich verdreht und komisch.
Peter: Diese Geschichte, die als der Hexenhammer bekannt wurde, das ist auch irgendwie ein aktuelles Thema. Es geht eigentlich auch irgendwie um Fake News, Verschwörungstheorien und darum die Macht der Medien zu nutzen. Da ist ein Typ, der in den Anfängen des Buchdrucks ein Machwerk geschrieben hat und es dann drucken ließ. Also vervielfältigte. Das gab es vorher noch nicht. Es ist ein vielseitiges Pamphlet, das die hohe Bedeutung der Frau in der Gesellschaft völlig zerstört.
Ben: Er sagt nach allen Regeln der lateinischen Mönchskunst immer wieder, dass Frauen scheiße sind und dies auf die verrückteste, religiös begründete Art. Nach dem Motto: Sie sind alle Hexen. Sie sind scheiße, gefährlich und wurden komischerweise zu der Zeit von der Kirche weder respektiert noch akzeptiert. Sie haben ihn zunächst zwar als Gelehrten abgelehnt, aber sich hunderte Jahre später bei Hexenverbrennungen auf diese Schrift zurückberufen. Es wäre wirklich besser gewesen, er hätte der seinen Scheiß nicht schreiben und vervielfältigen können.
Peter: Er wurde nie so richtig anerkannt zu seiner Zeit. Aber durch den Buchdruck wurde sein Pamphlet dann massenhaft gelesen und verbreitet und es hatte so leider fatale Nachwirkungen. Das findet sich heute auch ähnlich auf Social Media.
.rcn Magazin: Der Hexenhammer war auch eine verschriene Lektüre, die umso interessanter wird, weil sie halt verschrien ist. Man wird dann halt besonders neugierig sie zu lesen.
Ben: Wenn man einem Attila Hildmann nie ein Handy gegeben hätte, hätte der seinen Schmarrn auch für sich behalten, um einen aktuellen Vergleich zu nennen.
Peter: Naja, Kochen kann er besser.
Ben: Aber wenn man wie wir bei „Malleus“ musikalisch kombiniert mit Black Sabbath und Dudelsack ist dann die Thematik im Text eine explosive Mische. Das war unser Prinzip, an dem man sich konkret orientieren kann. Wir hörten das ganze Heaven And Hell Album und Dio an. Und dsagten dann, mal schauen wie die das machen. Dann noch mit Dudelsack und einem lateinischen Hexengedicht verbinden war unser Plan. Wir dachten, lass uns zusammenbauen, was eigentlich nicht zusammen gehört. So haben wir das mit jedem Song auf dem Album gemacht.
.rcn Magazin: Ihr wechselt oft die Dramatik auf dem Album, das ist kein sinnloses Gedresche. Die Ruhephasen in den Songs sind ja, wie auch in der Klassik, die Phasen, welche die hohen Dynamiken erst richtig stark werden lassen.
Peter: Als Folk-Mittelalter Band können wir das natürlich richtig ausnutzen. Mit akustischen Instrumenten Atmosphäre zu schaffen.
.rcn Magazin: Man kann damit ja auch wichtige Textzeilen mit lauter Musik unterstreichen.
Ben: Alles was wir machen, wollen wir auch gescheit machen. Wenn wir auf einem Song ein Gitarrengewitter haben wollen, dann gibt es ein Gitarrengewitter bis dir die Ohren rausfliegen und danach auf der anderen Seite auch Mittelalter mit all den Instrumenten, die ich zuhause im Wohnzimmer stehen habe.
Peter: Aber auch keine fünf Minuten, sondern nur 20 Sekunden Mittelalter. Dazu noch irgendein epischer Sprechpart auf Latein.
Ben: Dann wieder ein gescheiter Part zum Mitsingen und dann Bumms, aus, Ende.
.rcn Magazin: Welcher Song hängt euch auf dem Album denn richtig am Herzen?
Ben: Immer noch, und wieder Malleus.
Peter: Ja, Malleus ist ein richtig schön ausgewachsener Männersong.
.rcn Magazin: Hat das irgendwie einen Grund?
Peter: Feuerschwanz hatte eine lange Pubertätsphase und darum ist das ausgewachsene Thema dann doch mal gut, um zu zeigen, dass man gereift ist. Ich sag mal. Wir sind zu gereiften Männern geworden, aber zu gereiften Frauen natürlich auch in der Band.
Ben: Der Song repräsentiert ja auch diese toxische Männlichkeit, also der Kerl ist dafür praktisch ein Paradebeispiel. Indem man darüber kritisch singt setzt man sich damit kritisch auseinander und das gehört auch zum Austritt aus der Pubertät. Man beschäftigt sich damit, um dann aber auch wieder einen drei Minuten Metfest Abfeiersong zu machen, der alle Klischees bedient und an dem wir Spaß haben. Es ist aber alles geordnet. Es ist nicht der Gipfel der Gefühle für uns einen „saufen, saufen, ficken“ Song zu singen, sondern es handelt sich dabei um eine Kunstform. Deshalb haben wir auch einen Umweltschutzsong dabei.
Peter: Das ist ein Herzenssong, der auch noch textlich ein bisschen undercover ist, weil er ruhiger ist und wir ihn noch nicht live spielen konnten. Der geht trotzdem irgendwann im Lauf des Tracks musikalisch gut ab.
Ben: Unser Herzenssong schlechthin auf dem Album ist aber „Das Elfte Gebot“. Das klingt jetzt im Interview voll einfach, ist aber die Botschaft, die wir seit 15 Jahren predigen. Früher haben wir so etwas halt „Met und Miezen“ genannt, wenn es darum ging Party zu machen und das Leben zu genießen. Jeden Tag so zu Leben, als sei es dein Letzter. Dann denkt man darüber nach, was denn wirklich wäre, wenn man am nächsten Tag sterben würde und verpackt das in einen gefühlvollen Song mit viel Metal. Man braucht dabei diese melancholische Perspektive.
Peter: Der Song hat letztes Jahr schon krass geklungen und durch die Sache mit der Coronapandemie ist der noch einmal emotionaler geworden.
Ben: Wir haben uns fast nicht getraut den zu releasen. Lebensfreude und dieses Carpe Diem Ding ist ja gerade nicht so schick.
Peter: Da besteht eine Ambivalenz. Wir haben uns fast nicht getraut, aber uns andererseits auch gedacht, wie krass ist das in dieser Zeit, passt das jetzt bitte oder was?
Ben: Eine Hedonismus Nummer, die drei Wochen nach dem Shut Down raus kommt wo man gar nichts mehr machen kann.
Peter: Und wo der Tod natürlich jederzeit an der Tür klopfen kann.
Ben: Wir wissen nicht, ob es das richtige war, aber es hat zur Gefühlslage gepasst. War ganz geil, aber ist nicht als Statement zur Coronazeit gedacht.
Peter: Der Song ist ja auch schon seit einem Jahr fertig geschrieben. Der wäre ja auch ohne Corona ein guter Song geworden, aber das Ganze jetzt hat noch einmal einen drauf gesetzt. Wir stehen vor umwälzenden Ereignissen und Corona ist das erste, einschneidende Zeichen, das zeigt, die Lage ist ernst. Das Alles jetzt könnte dazu führen, dass man darüber nachdenkt, was man jetzt eigentlich mal wirklich verändern könnte.
.rcn Magazin:
Dadurch stellt man sich halt die Frage auf was man verzichten kann und auf was weniger.
Peter: Also wir als Musiker würden natürlich sehr gerne zu unserem alten Alltag zurückkehren. Es könnte aber sein, dass wenn wir irgendwann wieder live spielen dürfen, die Leute nicht mehr über diese Zäsur nachdenken. Vielleicht geht auch beides. Corona dauert jetzt schon ein paar Wochen an. So etwas vergisst man nicht so schnell. Ich habe mal nachgedacht: Auf was könnte ich verzichten? Auf 80% meines Wohnungsinhalts. Ich könnte echt sau viel wegschmeißen. Das habe ich aber nicht geschafft, weil wir jetzt dieses Album machten und wir viel, viel gearbeitet haben.
.rcn Magazin:
Was war dein Corona-Resümee bisher?
Ben: Ich habe keins. Ich will einfach nur wieder spielen. Was mir zum Beispiel schwer fällt ist darüber zu urteilen, was systemrelevant ist und was nicht. Ein Supermarkt ist nicht unbedingt systemrelevant, weil man seine Kartoffeln auch im Garten anbauen könnte und sonst nichts anderes mehr essen dürfte. Das einzige gute ist wahrscheinlich, dass es mehr Zoom Konferenzen und weniger Geschäftsreisen gibt. Mehr Resümee habe ich nicht.
.rcn Magazin: Wie sah dein Lockdown Alltag aus?
Ben: Ja, ja die Lockdown Zeit. Oft bis 11 Uhr Abends war ich aktiv, ich habe mir immerhin wenigstens ein Bier dazu aufgemacht und Texte geschrieben wie ein Weltmeister. Die nächste dArtagnan Platte ist auch schon im Kasten, deswegen können wir eigentlich gleich schon den nächsten Interview Termin ausmachen. (Lacht) Ich habe nur gearbeitet, um dann zu merken, dass das die Vorbereitung darauf ist, die ich normalerweise mache um dann viele Gigs zu spielen, Heim zu kommen, zu chillen und wieder auf Tour zu gehen. Das alles vorher ist quasi die Büroarbeit und das Songwriting ist das Schöne daran. Was ich aber seit zehn Jahren eigentlich nur mache, um Gigs zu spielen. Wenn man die Gigs weglässt, ist das wie ein Feuer ohne Holz.
Peter: Oder wie Sex ohne Frau.
Ben: Ja, irgendwie schon.
Peter: (lacht) Irgendwas stimmt an dem Beispiel nicht.
Ben: Das ist wie Sex zu haben ohne Frau und du hast noch nicht gemerkt, dass die Frau schon weg ist. Ja, genau so ist das in etwa das letzte halbe Jahr gewesen.
Peter: Wie willst du es denn auch sonst beschreiben? Wir geben uns umso mehr Mühe als Musiker.
.rcn Magazin: Das gute an der Corona-Zeit ist ja, dass man sich an vieles gewöhnt. Viele Sachen wurden auch auf den Prüfstand gestellt und man denkt sich, was brauch ich eigentlich wirklich, oder man lernt so manche Leute erst richtig kennen. Manche Musiker auch aus eurem Freundeskreis haben sich da ja ganz unterschiedlich dazu geäußert.
Peter: Der Lock Down war auch wie ein ‚wenn die Gerüche auf dem Marktplatz verfliegen, merkt man wo es nach Scheiße riecht‘.
Ben: Ja, das stimmt. Es ist wie nach einem Festival.
.rcn Magazin:
Habt ihr auch in eurem Umfeld komische Reaktionen mitgekriegt? Hat sich in der Musikindustrie da jemand ein bisschen merkwürdig entwickelt?
Ben: Nein. Es gibt da halt Leute außerhalb unseres Freundeskreises wie ein Xavier Naidoo, der einen Alu-Hut auf hat und das seit 20 Jahren. In unserem Umkreis sind eigentlich alle ganz normal.
.rcn Magazin:
Viele Punkrocker unter anderem haben sich ja bezüglich des
Lockdowns auf eine Stufe mit politischen Hardlinern wie Söder
gestellt und öffentlich ähnliche Sachen geäußert wie zum
Beispiel, dass wir jetzt alle schön brav sein müssen und alle
Vorgaben einhalten müssen.
Ben: Ist ja klar: Als Musiker ist so etwas auch eigennützig, weil dann gibt es im besten Fall in drei Monaten wieder Konzerte.
.rcn Magazin:
Hat der Rock’n’Roll an sich nicht eigentlich einen gewissen
Grundcharakter, der eine Art ständige Opposition gegenüber der
Politik darstellt? Also nicht im Sinne von „Begeht alle
Straftaten!“, aber zumindest nicht Hand in Hand mit der Politik
und dabei alles nicht teilnahmslos hinnehmen?
Ben: Ich beobachte das anders. Ein Festival wie Wacken oder egal aus welchem Genre ist eine Hochburg kollektiver Liebe und Gleichheit, die in einem kalten, kapitalistischem System die wichtigste und beste Opposition ist, die es gibt. Dass die Rebellion nicht in Form von Wut und Anarchie stattfinden, sondern als Gegenvorschlag dazu, also zu feiern, finde ich richtig. Vielleicht bin ich zu wenig Rock n’ Roll der alten Schule, aber man braucht keine Fernseher aus dem Fenster zu werfen um Rock Musiker zu sein. Eigentlich eher das Gegenteil. Für mich hat es nichts mit Unterordnung zu tun, wenn man zu Nächstenliebe aufruft in einer Welt in der so etwas in der öffentlichen Wahrnehmung keinen Wert hat. Weil, da sind wir mal ehrlich, es zählt doch heutzutage nur noch Leistung.
.rcn Magazin:
Ihr hättet ja beim neuen Album auch „brave“ Texte schreiben
können, aber ihr habt ja stattdessen auch Denkanstöße
geliefert.
Ben: Wir haben Denkanstöße und wollen mit unserer Musik eine neue Welt aufbauen. Hauptsache woanders hin. Ich fühle mich zum Beispiel sau wohl, wenn ich morgens an der Pegnitz joggen gehe und Amon Amarth dabei höre. Dann fühle ich mich wie ein Wikinger, weil da textlich nur von Schlachten und Geballer gesungen wird. Wenn ich dazu dann Klimmzüge im Regen mache fühle ich mich nicht wie der langweilige Hipster Typ aus Johannis, sondern wie ein geiler, bärtiger, kampferprobter Wikinger, der stolz sein Ding macht. Ich glaube vielen im Metal geht es darum. Es kann ja alles Mögliche sein. Du kannst auch Black und House hören. Solange du dich dabei wie ein Diskoaufreißer fühlst und nicht wie der arme Zipfel aus der Vorstadt. Es geht darum sich in eine andere Welt rein zu fühlen.
.rcn Magazin: Wie kam es zu der Idee mit den Bonustracks, mit den Coversongs? Wer in der Band ist für welchen Titel verantwortlich gewesen? Hat jeder einen Wunschsong gehabt oder wie entstand das?
Ben: Die Auswahl war recht klein. Wir haben einmal durch die Weltgeschichte geforstet und uns gefragt, was wir machen dürfen oder was wir können.
.rcn Magazin:
Wie kam es denn zur Idee, dass man das überhaupt macht?
Ben: Es gibt unseren Sound und es gibt Musik, die total anders ist. Wir haben also ein Auto gebaut und wollen damit auch mal auf einer anderen Rennstrecke fahren.
.rcn Magazin: Witzige Auswahl. Zum Beispiel „Ding“ von Seeed.
Ben: Das ist ein typischer Abi-Ball Song. Es sind Songs aus verschiedenen Lebensphasen eines jeden. Wir hatten auch Deichkind ausgewählt. Die mögen wir alle. Vor zehn Jahren haben wir einen Bandausflug zu einem Deichkind Konzert gemacht, um zu sehen wie die so etwas als Partyband machen. Wir haben jahrelang versucht, das in unserem Rahmen nachzumachen. Es gab ja auch mal so Sauflieder von uns, bis uns das zu ekelig wurde. Das hat uns mit Deichkind etwas verbunden. Auch wenn Deichkind ein anderes Genre bedient, diese ihre Verrücktheit auf der Bühne ist ein Meilenstein. Deswegen auch Seeed. „Ding“ ist halt auch eine mega Nummer mit Augenzwinkern und wir haben uns gedacht, dass wir die auf eine andere Art machen wollen.
.rcn Magazin: Und wie kam es zu Ed Sheeran?
Ben: Das ist in einem andalusischen Club an der Bar entstanden. Andi ist da sehr stolz drauf. Wir haben das Lied gehört und gedacht, dass es textlich voll Feuerschwanz-mäßig ist. Da geht es um Drachen und Zwerge, die in einer Stadt leben und kurz vor dem Untergang stehen, weil der Drache alle abfackeln wird. Das hat etwas von ‚meine Brüder lasst uns noch einen letzten Humpen trinken‘. Voll geil, mega episch, aber halt im Original in so einem ‚Schnulli-Bulli-Sound‘. Wir haben gesagt, dass wir das versuchen zu interpretieren, auch wenn es auf Englisch ist. Jetzt haben wir das Beste daraus gemacht.
.rcn Magazin: Weiter: Rammstein ist aber einfacher zu
covern?
Ben: Rammstein ist schwierig zu covern. Da ist alles schon
perfekt, also kann man auch nichts besser machen daran. Bei Ed
Sheeran war das anders. Wir haben aus einem geilen
Singer/Songwriter Song einen Hardrock/Mittelalter Song gemacht.
Bei Rammstein ist schon alles on Point. Als Band, die Rockmusik
macht, kann man da nichts mehr verbessern. Unser Hauptmann kann
auch geil tief singen, aber anders als Till Lindemann. Wir
haben also unsere Instrumentenkiste raus gekramt und alles auf
Mittelalter gesetzt.
.rcn: Da es ja dieses Jahr kein Feuertanz Festival gab, habt ihr euch was einfallen lassen. Und trotzdem dort gespielt. Und das nicht mit einer kleinen Bühne.
Peter: Ab Mitte April war das unsere Hauptarbeit.
Ben: Wir haben 40 Stunden in der Woche daran gearbeitet.
In der Coronazeit ist Arbeit, die nicht den üblichen Charakter
hat richtig anstrengend. Man hat sowieso schon etwas Neues auf
die Beine zu stellen und dann kommt auch noch Corona dazu. Die
Songs müssen ja im Proberaum geprobt werden und nur dann hast
du eine Chance, dass es perfekt wird. Wir waren häufig sehr
wehmütig, wenn wir im Vorfeld auf der Burg Abenberg waren und
den leeren Platz dort ohne Bühne gesehen haben. Dann wundert
man sich schon über irgendwelche Details, die man sonst nicht
wahrnimmt. Dass da zum Beispiel ein Baum steht, den man sonst
nicht sieht. Wir waren dort für eine Besichtigung, weil da auch
immer kleinere Filmchen für unsere Webseite gedreht wurden. Da
haben wir uns dann auch gefragt, ob es dort Katakomben gibt. Es
gab aber nur einen Rittersaal, der noch dazu sehr offiziell,
beleuchtet und mit Rauchmeldern feuergeschützt ist. Man darf
darin natürlich keine Fackeln für unsere Videos anzünden oder
sonst irgendetwas, was Spaß macht. Also haben wir weiter nach
einem anderen Spot gesucht, an dem man gut filmen kann.
Irgendein Kerl hat uns dann gefragt, ob wir uns mal den
Keller anschauen wollen, über dem normalerweise die Bühne
steht. Erst dachten wir das sei der Hausmeister, aber wir haben
ihn danach nicht mehr wieder gesehen. Er hat uns einen Keller
gezeigt, der nach dem Eingang 100 Meter tief rein ging und
absolut nicht beleuchtet war. Wir haben dann da mit unseren
Handys reingeleuchtet und ganz am Ende war ein rosafarbenes
Pentagramm an die Wand gemalt. Direkt unter der Bühne vom
Berg.
.rcn Magazin: Ne oder? In Rosa? Also wie alles bei J.B.O.?
Ben: Genau, Rosa wie bei J.B.O., das haben wir uns auch als erstes dabei gedacht. Wir haben dann noch einen Clip mit unseren Mönchen gedreht. Den Typen, der uns den Keller gezeigt hat, haben wir aber nicht mehr gesehen. Vielleicht war es der Geist des Burgwächters, der mal rumgekommen ist, um uns den geilen Keller zu zeigen.
.rcn Magazin: Wenn alle Jahre Feuertanz ist sagt der Burggeist immer „endlich wieder daheim im Mittelalter“.
Ben: Wir haben dort auch Leute vom Museum kennengelernt,
was wirklich toll war an dieser Stelle. Die haben da eine
Feuertanz Sonderausstellung ins Museum auf der Burg aufgebaut.
Die haben alle gesagt, dass sie nie gedacht hätten das mal
sagen zu müssen, dass das Feuertanz Festival ausfällt, denen
fehlt es auch.
.rcn Magazin: Ja. Was machen denn die Abenberger Frauen, wenn
sie sich nicht verkleiden können, um ihren ‚Hexenblut‘-Schnaps
zu verkaufen?
Peter: Die haben dort in Abenberg halt noch richtig was zu
bieten. Die Burg ist das Idealste, was ich kenne, um ein
Live-Konzert noch in richtig perfekter Atmosphäre machen zu
können. Natürlich wäre es auch cool, wenn der Burghof unten so
viele Leute wie ein kleines Fußballstadion fassen könnte, aber
mehr als 400, 500 Leute gehen da halt nicht rein.
.rcn: Wenn ihr eure Band 2020 so betrachtet, was hat sich
alles zum guten entwickelt?
Ben: Die Stärke von Feuerschwanz liegt in der Veränderung
und in der Teamfähigkeit. Das Bandkonzept war halt schon seit
Anfang an in Stein gemeißelt. Wir haben ja schon viele Alben
gemacht, aber trotzdem gab es immer wieder Wachstumsmomente von
unseren Fans und auch von uns. Das merken wir zum Beispiel
daran, dass es manchmal einfach nicht mehr reicht einen Song
wie früher mit einem „Ficki-Ficki-Witz“zu beenden. Es geht in
erster Linie um gute Musik und deswegen muss auch jeder Song
gut werden. Deswegen befinden wir uns auch im Wandel. Wie auf
unserem Albumcover wächst die Drachenechse Album für
Album vom Comic bis zur Realistik. Der Drache ist jetzt
ausgewachsen ist und braucht keine Muttermilch mehr.
.rcn Magazin: Was euch seit Anfang an auszeichnet ist ja der brachiale Humor, also bei Feuerschwanz hat man ja nach drei Bierchen immer eher an einen brennenden Penis gedacht.
Ben: (Lacht) Aber es war ja all die Jahre nur ein Drache
mit brennendem Schweif gewesen und was die Leute darin sehen
ist ihre eigene Versautheit. Das haben wir allen selbst
überlassen und jetzt verstehen sie endlich alle, das es
letztendlich nur um einen Drachen geht. Früher haben wir
natürlich trotzdem alles dafür getan, dass man bei Feuerschwanz
an das Geschlechtsorgan und nicht an das epische Schuppenvieh
denkt.
.rcn Magazin: In Texten über die Kreuzzüge habt ihr ja auch
etwas Kritik am Klerus geübt…
Ben: Wir haben auf dem Album viel Kritik an der
katholischen Kirche geübt. Die laufen alle in teuren Gewändern
herum und verwalten hauptsächlich ihre Immobilien. Die nehmen
am Zeitgeschehen gar nicht mehr teil. Das ist so wie bei den
Ents aus dem Herrn der Ringe, die Baumhirten. Man denkt die
verhandeln 18 Stunden und am Ende sagen sie, dass sie sich
jetzt erst mal alle begrüßt haben. Die Kirche ist oft ein
unfassbar mächtiges und vor allem unfassbar langsames Relikt
aus einer anderen Zeit.
Peter: Wenn die Kirche sich in der Neuzeit in der freien
Wirtschaft hätte behaupten müssen, wäre sie mitsamt ihrer
Philosophie untergegangen.
Ben: Früher mussten sie das ja auch irgendwie noch. Damals
waren sie aber auch noch eine wirklich weltliche Macht und
immer mit am Ball im Zeitgeschehen.
Peter: Die katholische Kirche war scheinbar immer
erfolgreich genug, so dass sie sich auch heute noch für
unfassbar gut hält.
Ben: Weil sie unfassbar viel Geld hat und immer noch
mit dem Staat verstrickt ist, eine Sache, die eigentlich gar
nicht geht...
Interview: Ewald Funk