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SO WAREN DIE SCORPIONS, WILLY SACHS STADION, SCHWEINFURT AM 16.07.2011

Unser geschmacklicher Multilinguist Wolle Wollrahm wieder einmal auf der Spur von Legenden! Diesmal Legenden der Hutmode! Die Scorpions haben das Baseballkäppi im Hardrock salonfähig gemacht. Wo andere mit Haarteilen operierten, setzten sie der ganzen Sache einfach den Hut auf. Ihre Abschiedstournee findet mittlerweile kein Ende und jede Region in Deutschland wird lückenlos bedient. Trotzdem, Spaß hat es gemacht, lest selber Wolframs Bericht:
SO WAREN DIE SCORPIONS, WILLY SACHS STADION, SCHWEINFURT AM 16.07.2011
Foto: Steve Jennings
SCORPIONS, WILLY SACHS STADION, SCHWEINFURT, SAMSTAG 16.07.2011

Schon vor dem Konzert wimmelt es auf dem Stadionvorplatz von beleibten Altrockern, graumelierten Endfuffzigern und verwelkten Hard Rock-Tussis, die sich noch mal ins alte Korsett gezwängt haben. Man kleidet sich in Leder, auf dem Rücken trägt man Tourdaten aus den Achtzigern und auf der Nase Designerbrillen von Fielmann. Im Stadion selbst herrscht Sicherheitsstufe eins: Kameras sind strikt verboten. Am Eingang werden Taschen und Rucksäcke penibel durchsucht. „In dieser Beziehung sind die Scorpions wie die Stasi“, sagt ein Mitarbeiter von Argo Konzerte und will nicht zitiert werden. „Die durchforsten nach der Show auch das Internet nach illegalen Aufnahmen aus dem Publikum.“ Nur die bei der Band direkt akkreditierten Fotografen sind zugelassen. Nach der ziemlich langweiligen Vorband Edguy geht’s pünktlich um 20.15 Uhr los.

Zur besten Sendezeit von Familienshow wie Wetten dass…?, Wer wird Millionär? Oder Schlag den Raab! startet auch die Familienshow der Scorpions. 15.000 Zuschauer jubeln, als Klaus Meine, Rudolf Schenker & Co. die Bühne entern. Meine mit typischer Leder-Schlappmütze, Schenker mit blondierter Kurzhaarfrisur und futuristischer Sonnenbrille. Live lassen die Hannoveraner Hardrocker kein Klischee aus: synchrones Wiegen der Gitarristen, Pete-Townsend-Gedächtnis-Armkreisel, ständiges Herausdeuten von einzelnen Fans im Publikum. Absoluter König in der Disziplin albernes Posing ist der britische Schlagzeuger James Kottak, der auf seinem Drumpodest auf- und abfährt wie der VfL Bochum zwischen den beiden Bundesligen, die Zuschauer mit einem schier endlosen Schlagzeugsolo belästigt und ständig signierte Drumsticks in die Menge pfeffert. Es gibt aber auch Lichtblicke: Die Stimme von Klaus Meine klingt erstaunlich frisch und als Gitarrist Matthias Jabs die Mouth Box auspackt, gibt es ein Wiedersehen mit einem lange vermissten Effektgerät. Dazu gibt’s Pyroeffekte satt und Flammenwerfer am Bühnenrand. Dort wo normalerweise der FC 05 Schweinfurt seine Bayernliga-Heimspiele austrägt, müssen die Scorpions-Fans lange auf die ganz großen Hits warten. Abgesehen von „Bad Boys Running Wild“ oder „Holiday“ kommen Megaseller wie „Still Loving You“, „Big City Nights“ oder „Rock You Like A Hurricane“ erst zum Finale. Selbstverständlich auch das unvermeidliche „Wind Of Change“, das alte und junge Fans versöhnt. In der Ansage verrät Klaus Meine, dass die Scorpions in den Siebziger schon einmal in Schweinfurt gespielt haben, damals in einem Club für GIs in der benachbarten Kaserne. Außerdem hatte die Band mit Jürgen Fechter in den Siebzigern auch einen Schlagzeuger, der aus Wildflecken in der Rhön stammt.

Von der nach außen demonstrierten Harmonie unter den Musikern ist übrigens hinter den Kulissen wenig zu spüren. Gerüchteweise haben sich die Scorpions privat schon lange nichts mehr zu sagen. Die Musiker kommen getrennt in Limousinen, schlafen in separaten Hotels und sind kurz nach dem Konzert wieder verschwunden. Um 22.18 Uhr gehen sie von der Bühne, um 22.19 Uhr sitzen sie in ihren Edelkarossen und rollen eine Minute durchs Stadiontor. Draußen sind viele Fans ziemlich sauer, weil die Band auf ihrer Abschiedstournee gerade mal 90 Minuten spielt und dafür über 70 Euro pro Ticket verlangt. Deutschlands erfolgreichste Rockband hatte im Januar 2010 angekündigt, sich unwiderruflich aufzulösen und danach eine zweijährige Farewell-Tournee gestartet, um sich nach über 40 Jahren Bandgeschichte von ihren Fans zu verabschieden.

Wolfram Wolle Hanke