Natürlich war jeder neugierig, wie Billy Idol mit 54 Jahren als
einstiges Jugendidol aller Mittvierziger heute aussehen würde
und vor allem wieviel Punk noch in einem Musiker steckt, der
mit Generation X zwar in der ersten Garde der englischen
Punkrebellion Ende der 70er an vorderster Front mitmischte,
dann aber unter Mithilfe von Steve Stevens und dem Knalleralbum
"Rebel Yell" im amerikanischen Exil die Brücke zwischen Pop und
Punk schlug. Punk nicht mehr viel, aber eine perfekte
Pop-Punk-Revue mit hohem Unterhaltungsfaktor statt
Gesellschaftsprotest. Höhepunkte: "Rebell Yell" und als Zugabe
"White Wedding" mit geilem Intro in Akustik und dann mit fettem
Riff.
Es kommt immer auf die Erwartungshaltung an, denn wer den
platinblonden Punk-Posterboy aus den MTV-Videos seines
Karrierehöhepunktes kennt, wird erschrocken sein über die
Falten in seinem Gesicht und die Stimme, die nicht immer jede
Note trifft. Optisch ähnelt er ein wenig David Bowie, der
mittlerweile ja endlich auch sein Alter lieber offen zeigt als
zu kaschieren. Zurück zum Thema Erwartung: Wer aber die DVD "In
Super Overdrive" (2009) kennt und außerdem weiß, durch welche
Drogenhölle der Wahlamerikaner ging inklusive schweren
Motorradunfall, ist vorbereitet und freut sich gerade deswegen
über einen sehr vitalen Frührentner, der halt jetzt Classic
Rock zelebriert. Lieber einen schlanken Billy als ein
vollfettes Abwrackmodell Whitney wie neulich in Nürnbergs
Arena... Wer in Abenberg weit genug von der Bühne weg stand
wurde beeindruckt, denn Idol kann noch alle Posen früherer
Zeiten locker aus der Hüfte abrufen und steht auch figürlich um
200 % besser da, als sein überwiegend aus Babyboomern
bestehendes Publikum. Absolut in der Unterzahl waren eine
Handvoll junge Punks, die natürlich auch The Damned mit den
beiden Ikonen Captain Sensible und Dave Vanian sehen wollten.
Unterm Strich aber war deren Vorstellung eine Enttäuschung,
denn die Ur-Punks hatten mangels wirklich guten eigenen
Songmaterials sogar "Eloyse" von Barry Ryan bemühen müssen, um
etwas Stimmung aufkommen zu lassen. Highlight aber waren deren
bissige Zwischenansagen, in denen sie die Lacher zumindest beim
englischkundigen Teil des Publikums auf ihrer Seite
hatten.
Der Auftritt von Idol hatte nach starken Anfang und einem
Wechselspiel von jeweils Hit und einem unbekannteren Song vor
allem in der Mitte so seine Längen. Vor allem, als er ein paar
alte Generation-X-Songs zum besten gab und dabei natürlich die
Texte von einem Notenständer mit Lose-Blätter-Chaos abspickte.
Ob dies nun ironische Show oder akut demenzbedingt war, lassen
wir offen. Fazit: Generation-X Songs von einer mit
Classic-Rock-Musikern besetzten Begleitband gehen gar nicht und
waren zudem schon damals konfus: Melodie und Musik passten
nicht immer glücklich zueinander. Manko war natürlich außerdem
das gewohnt schlaffe fränkische Publikum, kein schöner Empfang
für Idol bei seinen ganz wenigen Gigs in Schland. Doch es gab
den Ritter an der Gitarre, der alles rettete: Steve Stevens.
Auch wenn der gebürtige Ami seine Rente u.a. durch Songs für
den Patriotenschinken "Top Gun" bereits auf dem Konto hat, das
Bratgitarrenriff bei "Rebell Yell" ist unerreicht und sein
Können und die Show dazu waren Rückgrad und Höhepunkt des
Auftritts zugleich. Der Mann ist ein Virtuose auf seinem
Instrument und beherrscht von Flamenco über klassische Gitarre
bis zum Metal alle Stilistiken perfekt. Schade eigentlich, denn
Punk lebt eigentlich nur von drei Griffen. Stevens
multiplizierte das und sein Soundmischer machte einen verdammt
guten Job. Außerdem hat er einen guten Imageberater, denn
Outfit, Posen und vor allem die Frisur saßen perfekt.
Fazit: Punktabzug fürs fränkische Publikum, wenn Schland
vorher gewonnen hätte, Freibier und Ausschlafen am nächsten Tag
gesichert wären, ein Kartenpreis unter 40 EUR zusammen mit dem
Treffen alter Freunde auf dem Festival zusammen gekommen wären,
hätte Idol sicher eine tolle Stimmung in Erinnerung mit nach
Hause genommen. Trotzdem war es die verdammt beste Show mit dem
verdammt besten Gitarristen und einem verdammt perfekt
abgemischten Sound und ausreichend druckvoller Lautstärke in
diesem Jahr für mich. Dazu ein gut gelaunter Billy Idol, der
gekonnt seine Rolle spielte und zusammen mit seinem Kaiser
Stevens so einer alten Schabracke wie mir mal wieder ein paar
schöne Glücksmomente bereitet hat! Und ich habe bei RIP so
einiges gesehen! OK, Volbeat waren besser... :-)
Ewald Funk
NEUIGKEITEN/AKTUELLES EINZELANSICHT
BILLY IDOL IN AUF BURG ABENBERG: POP-PUNK-REVUE
Im Rahmen der größten zusammenhängenden Festivalserie Frankens auf Burg Abenberg, bei der an mehreren Tagen u.a. Konstantin Wecker, Roger Cicero In Extremo und Subway To Sally auftreten, gastierte am Mittwoch den 16.6. Billy Idol mit seinem alten Weggefährten Steve Stevens an der Gitarre auf der Burg bei Schwabach. .rcn präsentierte zusammen mit Gong, wir waren vor Ort.
Ähnlich faltig wie mittlerweile David Bowie:
Billy Idol in Abenberg.
Foto: Hertlein (Abendzeitung)
Billy Idol in Abenberg.
Foto: Hertlein (Abendzeitung)