SACHBUCH
COMMANDO – DIE AUTOBIOGRAFIE VON JOHNNY RAMONE
JOHN CAFIERO
TROPEN VERLAG
150 SEITEN, ISBN-13: 978-3608503173
Ein Mensch wie Johnny Ramone kann sein Leben eigentlich nur in
einer Autobiographie festhalten. Bei einem Biograph oder einem
Ghostwriter hätte der Boss der einflussreichsten Punkband der
Welt wohl nie die volle Kontrolle gehabt. „Commando“ heißt
folgerichtig der Titel seiner Lebensgeschichte, die im August
im Klett-Cotta-Verlag erschienen ist.
Auf die Welt kommt Johnny Ramone unter dem bürgerlichen Namen
John William Cummings – drei Jahre nach dem Ende des Zweiten
Weltkriegs. Er ist das einzige Kind einer New Yorker
Arbeiterfamilie. Seine Eltern betreiben eine einfache Eckkneipe
im Stadtteil Queens. Dort bekommt er als Siebenjähriger die
abgespielten Singles aus der Jukebox und hört früh Musik von
Jerry Lee Lewis, Little Richard oder Fats Domino. Als Teenager
gilt Johnny als zorniger junger Mann und tritt als Halbstarker
in seinem Viertel auf – gewalttätig und vollgedröhnt. „Ich war
schlimm – den ganzen Tag lang, vom Aufwachen bis zum
Schlafengehen“, gesteht er später in einem Interview. Im Alter
von 20 Jahren wandelt er sich vom jugendlichen Straftäter zum
Disziplinfanatiker. Er besucht die Militärschule, arbeitet auf
dem Bau und heiratet früh. 1974 gründet er die Ramones
gemeinsam mit Douglas Colvin (Dee Dee Ramone), Thomas Erdelyi
(Tommy Ramone) und Jeffrey Hyman (Joey Ramone). Obwohl er Joey
von Anfang an skeptisch gegenübersteht und als Hippie
verspottet. Johnny hat von Beginn an das Kommando bei den
Ramones. Einmal verprügelt er sogar Joey, weil er zu einer
Verabredung zu spät kommt. Aber der Gitarrist prägt mit seinem
Spiel, das die Presse anfangs mit einer Motorsäge vergleicht,
den Sound der Band. Die Ramones betrachtet Johnny als Firma,
den legendären New Yorker Underground-Club CBGB’s als Büro.
Konzerte spielen heißt für ihn pünktlich ankommen, ordentlich
abliefern, Geld einsammeln und nach Hause fahren. Von
Saufexzessen und Abhängen mit Kumpels hält er nichts. Überhaupt
hat seine Einstellung nur wenig mit den gängigen Vorstellungen
von Punkrock zu tun. Die Umgangsformen in der Szene
widerstreben ihm. Deshalb liebt er Japan, weil dort die Fans so
artig und diszipliniert sind. Europa hasst er, bezeichnet es
als rückständig und schmutzig. Er befürwortet den Vietnamkrieg
und outet sich als Fan des konservativen Präsidenten Ronald
Reagan. Als Johnny 2002 in die Rock’n’Roll Hall of Fame
aufgenommen wird, schockt er in seiner Dankesrede die liberale
Kulturszene mit dem Ausruf: „God bless President Bush! God
bless America!“ Seine Meinung über Homosexuelle, Rapmusik oder
Rassentrennung ist zumindest zweifelhaft. Und der konservative
Johnny kann die anderen Ramones immer wieder von seinen
Ansichten überzeugen: 1979 geben die Ramones im CBGB’s ein
Benefizkonzert für die New Yorker Polizisten, um ihnen den Kauf
kugelsicherer Westen zu ermöglichen. Im Song „I’m Against It“
von 1978 listen die Ramones auf, wen und was sie nicht leiden
können: Kommunisten, Vietcong, Sex und Drugs sowie Frühling und
Sommer, Jesus-Freaks und Burger King. „Commando“ zeichnet das
ernüchternde Bild eines Mannes, der aber auch erstaunlich
kindliche Züge trägt: Er beharrt auf seiner überdimensionierten
Prinz Eisenherz-Frisur und kauft seine T-Shirts immer ein paar
Nummern zu klein, scheinbar in der Kinderabteilung. Er sammelt
Poster von Monsterfilmen, geht nach Konzerten immer Milch und
Kekse kaufen und ist begeisterter Baseball-Fan. Fast schon
pathologisch ist sein ständiger Wunsch, sich mit anderen
Prominenten ablichten zu lassen: Bilder mit John Frusciante
(Red Hot Chili Peppers), Kirk Hammett (Metallica) oder Johnny
Depp sind versehen mit der Zeile: Johnny mit seinem Freund… Wer
weiß, wie lange es die Ramones gegeben hätte, wenn alle in der
Band so chaotisch wie Dee Dee oder so problembehaftet wie Joey
gewesen wären? Johnny ist General und Bankdirektor bei den
Ramones. Er verwaltet die Gagen und kümmert sich um die
Angestellten. „Unsere Gewinnspanne war ziemlich gering, und wir
zahlten die Crew so gut es eben ging. Klar hätte ich ihnen
gerne mehr bezahlt. Aber ich hatte auch meine Rente im Blick.“
„Commando“ ist das Vermächtnis von Johnny Ramone, der am 15.
September 2004 an Prostatakrebs gestorben ist. Begraben ist der
„pünktliche Punk“ auf dem Hollywood Cemetary, fern der alten
Heimat New York, wo eine lebensgroße Bronzestatue sein Grab
ziert: Johnny Ramone beim Gitarrespielen. Ein bisschen wie
Graceland für Punkrocker. WH 7 von 9
