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SIMEON SOUL CHARGER: MUSIKER MIT MIGRATIONSHINTERGRUND

Unsere bunte Republik ist mittlerweile äußerst beliebt bei jungen Fachkräften aus dem europäischen Ausland. Das ist gut so. Dass aber eine junge Psychedelic-Rockband aus den Staaten hierzulande ihr Glück sucht, ist eher selten. Das haben Simeon Soul Charger gemacht, sie kommen aus Akron/Ohio und nicht wenige haben sie im Vorprogramm von D-A-D (Schweinfurt) oder Stefan Dettl (Nürnberg) gesehen. Hier ist ihre äußerst lesenwerte Story, wie es dazu kam, dass die Band jetzt in dem Haus in der Holledau wohnt, wo "Der kalte Himmel" mit Christine Neubauer gedreht wurde...
SIMEON SOUL CHARGER: MUSIKER MIT MIGRATIONSHINTERGRUND

SIMEON SOUL CHARGER
- Liebe auf den ersten Blick


Die Geschichte vom Tellerwäscher, der sich zum Millionär hocharbeitet, funktioniert im Rockbusiness normalerweise so, dass eine Band aus der Provinz den Erfolg in einer großen Metropole sucht und findet – vorzugsweise in den USA oder in England. Dass eine amerikanische Rockband nach Deutschland übersiedelt, um Karriere zu machen, ist eher selten. Deshalb ist die Geschichte von Simeon Soul Charger, einer Psychedelic Rock Band aus Akron / Ohio umso bemerkenswerter. Die vier Jungs leben seit März 2011 auf einem Bauernhof in Nandlstadt im oberbayerischen Landkreis Freising. Nandlstadt gilt als ältester Hopfenanbauort der Welt und hat nur knapp 5.000 Einwohner in 38 Gemeindeteilen. Der einzige berühmte Mensch, der laut Wikipedia jemals aus Nandlstadt kam, ist der Fußballprofi Sepp Weiß, der in den Siebzigern mit dem FC Bayern zweimal den Europapokal der Landesmeister gewonnen hat.

2010 kam es in New York City zur schicksalhaften ersten Begegnung zwischen Simeon Soul Charger und Bernd Buchberger - dem bayerischen Manager der Band. Die Band beendete gerade ihre erste größere Tour durch die Staaten und erwischte einen rabenschwarzen Abend. „Es war wie ein „Gig From Hell“ - alles ging schief“, erzählt Sänger und Gitarrist Aaron Brooks. „Der Mischer hatte Probleme, wir waren eine halbe Stunde zu spät dran. Wir hatten an diesem Tag noch einen anderen Gig in einem anderen Club, dort hatte ich meine Gitarre vergessen. Also musste ich mir eine andere Gitarre leihen. Aber Bernd und seiner Cousine Helga hat die Show so gut gefallen, dass sie am nächsten Tag gleich wieder gekommen sind. Dafür haben sie sogar ihren Rückflug verschoben. Und als sie zuhause waren, haben sie uns sofort kontaktiert und vorschlagen, dass wir unbedingt nach Bayern kommen müssen.

Das klang sehr schön, aber nicht besonders realistisch, um ehrlich zu sein. Aber Bernd hat alle Bedenken zerstreut und uns überzeugt.“ Der frischgebackene Manager machte die Kohle für die Flüge locker und organisierte aus dem Nichts eine zweiwöchige Tour rund um den Landkreis Freising. Die Band war begeistert. „Es lief richtig gut“, bestätigt Aaron. „Deshalb sind wir zurückgekommen. Zuerst waren drei Monate geplant und jetzt ist es schon mehr als ein Jahr geworden und wir haben schon Konzerte bis in den Herbst hinein gebucht.“ Manager Bernd Buchberger kommt eigentlich gar nicht aus dem Musikbusiness und ist in erster Linie Fan. Sein Geld verdient er als Werbegrafiker und der Job als Manager für eine Psychedelic Rock Band aus Ohio kam wie aus heiterem Himmel. „Das war eine ganz spontane Entscheidung, weil mir vorstellen konnte, dass die Band hervorragend in Deutschland funktioniert“, erklärt Bernd. „Ich war schon vom ersten Stück an begeistert. Als wir aus den Staaten zurück gekommen sind, haben wir unseren Freunden den Plan geschildert. Und alle haben uns für verrückt erklärt, weil ich so schnell wie möglich diese kleine Testtour in Deutschland machen wollte. Dann hat uns meine liebe Tante Gretl für zwei Wochen ihr Haus zur Verfügung gestellt. Und als wir 2011 entschieden haben, die Band für ein ganzes Jahr zu holen, haben wir ein großes Bauernhaus in Nandlstadt mitten in der Hallertau gefunden.

Dort hat die ARD schon den TV-Zweiteiler „Der kalte Himmel“ mit Christine Neubauer gedreht, aber das Filmteam hatte alle Wasserleitungen und Stromleitungen gekappt. Das musste alles neu verlegt werden. Dann hat unser ganzer Freundeskreis zusammengeholfen und in vier Monaten das Haus bewohnbar gemacht. Und da wohnen die Jungs jetzt.“ Es klingt ein bisschen wie „Sommer in Orange“, die Komödie von Regisseur Marcus H. Rosenmüller (Wer früher stirbt ist länger tot) über eine Gruppe Berliner Bhagwan-Jünger, die sich in den Achtzigern in der oberbayerischen Provinz niederlässt. „Wir fühlen uns in Nandlstadt sehr wohl,“ schildert Aaron die Umstellung aufs Leben in der bayerischen Idylle. „Klar mussten wir uns erst mal an die neuen Bedingungen anpassen. Wir müssen uns um die Wärme im Haus selbst kümmern und können nicht einfach die Heizung aufdrehen. Und im Winter waren die Wasserrohre zweimal eingefroren, also mussten wir uns Wasser in Flaschen abfüllen, bis wir die Rohre wieder auftauen konnten.

Aber trotz aller primitiven Lebensumstände ist die Lebensqualität ist sehr hoch. Und wir haben gelernt, wie in einer Kommune zu leben. In diesem Haus müssen wir zusammen arbeiten.“ Entgegen aller Klischees über bayerische Landeier wurden die Amis in Nandlstadt überaus freundlich aufgenommen. Obwohl es zwischen den Bayern und der Band noch die eine oder andere Sprachbarriere gibt, schwärmen Simeon Soul Charger von ihren neuen Nachbarn. „Wir wurden überall freundlich empfangen und bewirtet. Sie bringen und Kaffee und Kuchen und es wirkt alles sehr natürlich. Natürlich war es anfangs ein bisschen komisch, als wir ums Eck in den Supermarkt gegangen sind und uns kaum verständigen konnten. Und manchmal wird man schon ein bisschen verwundert angeschaut und es gibt natürlich Gerüchte im Dorf über uns. Einer hat uns mal erzählt, dass man sich erzählt, wir würden in der Öffentlichkeit Drogen konsumieren. Dabei wurden wir wohl nur dabei beobachtet, wie wir unsere Zigaretten selbst gedreht haben. Deshalb haben wohl einige gedacht, wir würden Joints in der Hauptstraße rauchen.“

Kein Wunder, Bassist Spider trägt Dreadlocks bis fast in die Kniekehle, Schlagzeuger Joe einen Bart wie Rasputin und Gitarrist Rick sieht aus wie ein Hippie mit Schlapphut und Schlaghosen. „Kurz bevor wir die Staaten verlassen haben, haben wir eine ausverkaufte Album-Release-Show gespielt“, sagt Aaron. „Dort haben wir eine große Fanbase. Wir selbst dachten, dass wir nur ein paar Monate bleiben würden, deshalb haben wir uns verabschiedet mit den Worten: Wir sehen uns, wenn wir zurück sind! Und allmählich melden sich immer mehr Fans auf unsere Website und fragen, wann wir wieder zurück kommen. Und wir wollen unsere Fans in Amerika natürlich nicht im Stich lassen, aber jetzt läuft es in Deutschland gerade sehr gut, deshalb können wir hier nicht so einfach weg. Abgesehen davon ist unser Plan, irgendwann durch die ganze Welt zu touren, da können wir auch nicht ständig in den Staaten sein.“ Die Karriere von Simeon Soul Charger in Deutschland brummt. Das Debütalbum „Meet Me In The Afterlife“ bekam geradezu euphorische Kritiken in der Rockpresse.

Vom renommierten Rock Hard-Magazin gab es sogar satte 8 Punkte. „Eines der spannendsten Debütalben der letzten Jahre“, schrieb Rezensent Michael Rensen. Neben unzähligen Club-Gigs spielte die Band bei vielen Open Air-Festivals wie dem Kommz in Aschaffenburg, dem Labertal Festival in Schieling oder dem Trebur-Festival bei Rüsselsheim. Im Frühjahr supporteten Simeon Soul Charger die dänische Rockband D-A-D bei drei Konzerten in Deutschland und in der Schweiz. „In den Staaten haben wir unsere Touren immer selbst gebucht“, sagt Aaron. „Dort ist es nicht so leicht, an sein Geld zu kommen. Vor allem, wenn man versucht, Konzerte außerhalb des eigenen Bundesstaates zu organisieren. Wir waren alle schockiert, als wir unsere ersten Konzerte in Deutschland gespielt haben. Sie haben uns bezahlt, sie haben uns gefüttert, sie haben uns Freigetränke gegeben und einen Übernachtungsplatz gestellt. Das ist völlig anders, als alles andere, was wir bis jetzt in den Staaten erlebt haben. Das gibt es vielleicht für etablierte Bands, aber wir sind ja immer noch eine „Baby-Band“.“

Inzwischen haben die Jungs aus Ohio in der Nähe von Freising auch schon Album Nummer zwei aufgenommen. Gemeinsam mit dem befreundeten Tonmeister Eschi hat die Band ihre Songs komplett analog aufgenommen, also ohne Hilfe von Computern. Erscheinen soll „Harmony Square“ am 18. Mai wie schon das erste Album über „Gentle Art Of Music“ - ein Indie-Label aus der Psychedelic-Szene mit Sitz in Freising. „Wir sehen dieses Jahr noch als Promotion-Jahr“, ergänzt Manager Bernd Buchberger. „Also nehmen wir in Kauf, dass wir auch mal 500 Kilometer für ein paar Freibier fahren müssen. Die Gagen sind noch lange nicht hoch genug, um das ganze Projekt zu finanzieren. Aber wir glauben einfach an die Band. Es wurde inzwischen sogar ein eigener Fanclub gegründet und die Fanbase wächst irrsinnig schnell. Überall, wo die Jungs waren, bleiben ein paar hängen. Ich selbst habe mein Büro zuhause und kann mir meine Zeit sehr gut einteilen. Außerdem erlauben mir meine Frau und meine zwei Kinder dieses zeitraubende Hobby. Natürlich muss ich schauen, dass mein Kerngeschäft weiterläuft - ich mache Zeitschriften – deshalb verbringe ich gerade die doppelte Zeit im Büro um nebenbei auch noch Booking und Promotion für die Band zu machen.

Im September gibt es die neue Platte!

HIER DER LINK ZU GENTLE ART OF MUSIC, DEM LABEL VON BANDS WIE RPWL (FREISING)

Aber es funktioniert!“ Von der bayerischen Provinz aus wollen Simeon Soul Charger den Durchbruch als Band schaffen. Das Geld fließt momentan zwar noch nicht sehr üppig, aber Aaron, Rick, Spider und Joe sehen jeden Tag Fortschritte. „Wir müssen möglichst viele Shows spielen. Wir wohnen alle im selben Haus. Hätten wir alle eigene Wohnungen und müssten alle separat Miete bezahlen, würde das alles nicht funktionieren“, glaubt Aaron. „Wir werden zwar nicht reich, aber wir kommen zurecht. Und wenn es mal eng wird, gibt es ein sehr großes Netzwerk vor Ort, das uns unterstützt. Ein paar Häuser weiter zum Beispiel, gibt es einen Bauernhof, dort können wir in der Landwirtschaft mithelfen und werden mit Bio-Lebensmitteln bezahlt.“

Verhungern kann die Band in Nandlstadt also schon mal nicht, so viel steht fest. Und mit dem zweiten Album wird der ganz große Wurf gelingen, da sind sich alle in der Band einig. „Unser Plan ist es, die ganze Welt zu bereisen. Wir sehen die Band als Mittel, um viele Länder zu sehen und viele Erfahrungen zu machen. Bayern ist definitiv gerade unsere Heimat. Wir genießen das entspannte Leben auf dem Land, denn wir alle sind in der Stadt aufgewachsen und unser Leben als Rockband ist hektisch genug. Ich zwar kann nicht in die Zukunft schauen, aber ich glaube an den Erfolg von Simeon Soul Charger.“ Das heißt, neben vielen Konzerten in Deutschland sollen die Jungs aus Ohio bald auch überall in Europa und auch in ihren alten Heimat in den USA spielen. Dann kommen sie allerdings als Gäste…

Wolfram Hanke

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