Einen viel größeren Anreiz zum Voten als LaBrassBanda bietet am Donnerstag wohl kein Teilnehmer des deutschen ESC-Vorentscheids: Die Oberbayern möchten im Falle des Sieges mit dem Traktor vom Chiemsee nach Malmö fahren. Am liebsten mit einem ganzen Konvoi von Fans im Anschluss, die es ihnen gleichtun. Für Aufmerksamkeit und Medienpräsenz wäre damit schonmal gesorgt und die ist für ein erfolgreiches Abschneiden beim Grand Prix ja erfahrungsgemäß nicht gerade hinderlich.
Dennoch haben LaBrassBanda um einiges mehr zu bieten als nur
einen Traktor: Mit einer Kombination aus Blaskapellenmusik und
mitreißenden Reggae-Ska-Rhythmen begeistern sie Jung und Alt
und sind die moderne Antwort auf Hubert von Goisern oder
Haindling. Eine Verbindung von Laptop und Lederhosen sozusagen!
(Die CSU muss begeistert sein...) Mehr als 500 Konzerte
haben sie bereits am Buckel und dabei die bayerische
Mundart-Musik unter anderem bis nach Sibirien und Simbabwe
verbreitet. Der Song, mit dem sie antreten wollen, heißt
übrigens "Nackert"und erzählt von einer Liebesgeschichte auf
dem Dorf und einer Frau, die nachts nackt in einem See
herumschwimmt. Wobei der Inhalt Nebensache ist: Verstehen wird
es eh kaum jemand.
Link zum Voting:
http://www.eurovision.de/news/national/usfmradio101.html
Für alle, die noch mehr über LaBrassBanda und ihre Pläne für
Malmö wissen möchten, ist hier noch ein Interview mit Manuel
Winbeck (Posaune, Gesang) und Manuel da Coll (Schlagzeug,
Gesang):
1. Wie kam es überhaupt dazu, dass Ihr bei "Unser Song für
Malmö" mitmacht?
Manuel W: „Wir sind von Herrn Schreiber, dem Unterhaltungschef
vom NDR, eingeladen worden. Der mag unsere Musik, glaube ich,
ganz gerne und ist Vorsitzender der Jury, die die Kandidaten
für den Vorentscheid auswählen. Der hat uns über ein paar Ecken
gefragt ob wir Lust haben mitzumachen. Wir haben kurz überlegt,
ob wir Lust haben, aber dann gleich zugesagt.“
Manuel d. C.: “Wir wären nie auf die Idee gekommen, dass wir
beim ESC was zu suchen haben, ohne den ESC jetzt schlecht zu
machen. Wir haben es aber nur unter der Bedingung gemacht, dass
wir live spielen. Bei uns würde eine Bühnenshow mit Tänzern
oder Pyro-Show nicht funktionieren, das stand nicht zur
Debatte. Wir fühlen uns nur wohl, wenn wir live spielen
können.“
2. Was ist die Geschichte hinter "Nackert"?
Manuel W: „Der Song „Nackert“ ist eigentlich ein Sommer-Song,
er kommt jetzt ein bisschen zu früh, war aber eigentlich für
den Sommer geplant. Es geht in dem Lied um eine geheime
Liebesgeschichte in einem Dorf. Die Angebetete ist mit einem
anderen Mann zusammen, aber fährt in der Nacht heimlich mit
einem Sänger an den See und schwimmt dort nackt im Wasser, also
geht es eigentlich um Sommer, Liebe, Nackt und Lebensgefühl. In
unserem Fall singt es Stefan (Dettl) und ist also der „Batzi“
(Lausbub), der die Dorfschönheit entführt.“
3. Ihr seid zwar Bayern, pflegt aber keine Bayern-Klischees.
Warum tretet Ihr trotzdem am liebsten in Lederhosen auf?
Manuel W: „Die Lederhosen ist uns über die Jahre echt ans Herz
gewachsen, sie gehört jetzt einfach dazu. Am Anfang hatte es
eher praktische Gründe, warum wir in Lederhosen aufgetreten
sind, mittlerweile ist es aber undenkbar mit der Band in einem
anderen Outfit aufzutreten. Haferlschuhe gehören zum Beispiel
nicht zu LaBrassBanda dazu, jeder hat zwar welche daheim, aber
mit LaBrassBanda spielen wir immer barfuß.“
4. Warum geht ihr am liebsten ungestylt auf die Bühne?
Manuel d. C.: „Dazu gibt es eine lustige Anekdote: Ein guter
Freund von uns ist Stylist, der fliegt jede Woche mit Models
nach Johannesburg und ist viel unterwegs. Als er dann erfahren
hat, dass wir beim ESC mitmachen, wollte er unbedingt mit. Ich
hab ihm gesagt, dass er gerne mitkommen kann, aber hab ihn
gleich gefragt, was er denn bei uns stylen will. Er antwortete
darauf, dass man doch beim ESC gut ausschauen muss. Heute habe
ich mit ihm telefoniert, er hat sich in der Zwischenzeit
angeschaut, was wir so machen und meinte nur: „Wenn ihr auf der
Bühne wie so Hippies rumspringt, dann fällt mit dazu leider
auch nichts ein.“ Ich könnte mir aber auch echt nicht
vorstellen, was man bei uns noch schöner machen könnte…?!
(Beide lachen).
5. Was spornt Euch am meisten an, den deutschen Vorentscheid
auf jeden Fall gewinnen zu wollen?
Manuel d. C.: „Ich denke, wir sind auf alle Fälle die Band,
die aktuell für den meisten Wirbel sorgt. – Unfreiwillig! Wir
werden von allen Seiten fertig gemacht. Wir haben das Gefühl,
dass keiner von den ESC-Fans wirklich will, dass wir gewinnen.
Die schreiben: „Ihr Outfit nervt und der Sänger, der kann
überhaupt nicht singen und den versteht man nicht und es ist
doch ein Gesangswettbewerb“. Allein schon wegen dieser ganzen
Einwände hätte ich Lust zu gewinnen. Außerdem haben wir selber
einen großen Ansporn, weil wir versprochen haben, dass, wenn
wir gewinnen, wir mit dem „Bulldog “(Traktor) nach Malmö fahren
und da bin ich echt heiß drauf. Diese Reise würde mir
wahnsinnig gefallen, durch ganz Deutschland mit dem „Bulldog“
zu fahren und wieder mit den Mopeds, wie wir es schon einmal
gemacht haben. Das ist mein persönlicher Ansporn.“
6. Ihr habt bereits viel im Ausland gespielt. Was für eine
Geschichte ist Euch speziell in Erinnerung geblieben?
Manuel d. C.: „Ganz besonders unser Auftritt auf einem
Festival in Simbabwe. Dort waren nur Reggae-, Raggaeton- und
Dancehall-Acts. Da unsere Songs sehr variabel sind und wir sie
in jedem Tempo umbauen und an die Situation anpassen können,
haben wir einen ewig langen Reggae-Jam gespielt. Da ist dann
sofort einer auf die Bühne gesprungen und hat mitgesungen,
eigentlich hätten wir daraus sofort eine Zusammenarbeit machen
sollen. Das war nämlich ein Super-Typ, ein Staatsfeind, der
Mugabe auf dem Festival kritisiert hat. Er konnte das nur auf
diesem Festival machen, weil es unter internationaler
Beobachtung steht, mit vielen internationalen Acts. Das war für
mich ein magischer Moment.“
7. Inwieweit spiegelt der Song "Nackert" Eure musikalischen
Anfänge in den Clubs wider?
Manuel d. C.: „Wir haben 2007 angefangen zusammen mit einem DJ
zu arbeiten. Der hat viel Balkan aufgelegt, das war damals noch
ein heißes Thema. Das war so, dass der DJ angefangen hat, Manu
ist danach dazu gekommen, Stefan natürlich danach an der
Trompete und Posaune, dann bin ich langsam mit den Percussion-
und Schlagzeug-Elementen dazu gekommen, so haben wir das damals
immer gemacht. Wir haben anfangs nie in Bierzelten gespielt,
waren auch eher schon in London und Berlin unterwegs, in
München haben wir gar keine Show bekommen. Das war also schon
immer Teil der Band, es ist nur so, dass das letzte Album schon
wieder drei Jahre her ist und wir uns live immer mehr in die
Richtung entwickelt haben und dieser Song also unserem
aktuellen Live-Modus entspricht“.
8. Wie reagiert das Publikum im Ausland - verglichen mit
Deutschland - auf Eure Musik und Euer Liederhosen-Outfit?
Manuel W: „Es ist immer wahnsinnig schön, wenn man ins Ausland
kommt, weil für die Menschen, die uns textlich überhaupt nicht
verstehen, die Musik noch viel mehr im Vordergrund steht. Im
Ausland ist es auch nie ein Thema, ob wir aus Bayern kommen,
warum wir Lederhosen anhaben oder ob wir bayerisch singen, wir
sind da einfach eine Band aus Deutschland, die ihr Ding macht.
Das ist das Schönste, da steht das Menschliche auch viel mehr
im Vordergrund und politische Aspekte werden nicht
thematisiert.“
Manuel d. C.: „Es gibt die ganzen Klischees nicht. In
Deutschland ist es ja schon ein politisches Statement, wenn du
in so einem Outfit, wie wir es haben, spielst. International
ist so etwas den Leuten total egal, die denken sowieso, dass in
Deutschland jeder so rumläuft wie wir. Das ist wohl auch das
Problem der Norddeutschen, dass sie sich nicht durch uns
vertreten fühlen, das kann ich aber auch verstehen.“
9. Wenn Ihr den deutschen Vorentscheid gewinnt, wollt Ihr mit
dem Traktor (bayerisch: "Bulldog") nach Malmö fahren. Wie genau
muss man sich das vorstellen? Noch dazu bei unserer unsicheren
Wetterlage?
Manuel W: „Da kann überhaupt nichts passieren, unsere
Blasinstrumente kann man auch in einen See schmeißen und es
passiert nichts. Über das Schlagzeug kommt eine Plane, auf dem
Hänger hinten ist die Bühne montiert, da gibt es überhaupt kein
Stress.“
Manuel d. C.: „Unser „Bulldog“ fährt so 18 km/h. Vor vier
Jahren haben wir das ja schon einmal gemacht; damals bei der
Fußball Europameisterschaft, da haben wir auch jedes Wetter
mitgemacht. Jedes Moped, das den Geist aufgibt, muss auf den
Hänger und wenn es mal schnell gehen muss, können wir auch gut
auf dem Hänger ein Unplugged-Set spielen. Wettertechnisch sind
wir sehr abgehärtet und unabhängig. Die Frage ist eher, wie wir
in Malmö ankommen. Als wir vor vier Jahren in Wien angekommen
sind waren wir total dreckig, wir konnten ja nicht duschen,
aber haben trotzdem vor 40.000 Menschen gespielt, das können
wir für Malmö auch gut gebrauchen…“ (Beide lachen).
10. Was macht Ihr, wenn Ihr nicht mit LaBrassBanda unterwegs
oder im Studio seid?
Manuel W: „Ich spiele im Couville Theater gerade bei einer
Inszenierung von Lola Montez mit und auch bei einer anderen
Inszenierung, außerdem habe ich noch eine andere Band, die sich
Polyester nennt. Die Band gibt es etwa genauso lang wie
LaBrassBanda, ist aber ein ganz ein anderes Thema. Eine
Mischung aus New York Disco und Post Punk. Schwierig zu
beschreiben. Auch Fotografie ist eine Leidenschaft von mir, ich
fotografiere analog und gehe in die Dunkelkammer damit, das ist
mein Gegengewicht zum auf der Bühne stehen. Da kann ich sehr
gut abschalten.“
Manuel d. C: “Ich habe neben LaBrassBanda auch noch eine
eigene Band, die heißt Monobo Son, die gibt es seit ungefähr
zwei Jahren. Die Band ist auch sehr bläserlastig, mit Wolfi
Schlick an der Tuba und an der Flöte und mein Bruder spielt
auch Tuba und Basstrompete. Wir machen da mit Hammond Orgel und
Schlagzeug einen ganz wilden Afro-Rock’n’Roll – Free Jazz-Mix.
Der Hans hat eine Professur für Tuba am Mozarteum in Salzburg
und unterrichtet da zwischen acht und zehn Studenten. Das ist
ein wichtiger Bestandteil von seinem Leben und auch
mittlerweile von der Band, weil es wieder ein ganz anderer
Einfluss ist, der die Band sehr bereichert.“