EXTREME NOISE TERROR, RAWSIDE, 05.01.2013,
SCHWEINFURT-STATTBAHNHOF
Völlig überraschend hat die Coburger-Schweinfurter
Hardcore-Punk-Band Rawside ihr Comeback gegeben. Anlass war der
40. Geburtstag von Sänger Henne, der mit einem Konzertabend im
Stattbahnhof gefeiert wurde. Nachdem das Publikum die beiden
Vorbands Accion Mutante und WWK überstanden hatte, kamen
Rawside nach knapp zwei Jahren Pause für zehn Songs auf die
Bühne. Für den Gig hatten die Jungs genau einmal geprobt,
verriet Henne nach der Show. Und das auch noch am Neujahrsabend
also in entsprechender Katerlaune. Von einer dauerhaften
Reunion wollen die Jungs allerdings nichts wissen. Auf der
Bühne wirkte die alte Rawside-Maschine erstaunlich eingeölt und
lief wie geschmiert. Und immer wieder sprangen Bassisten-Frau
Julia Gock oder andere Mädels aus dem Rawside-Rudel auf die
Bühne, um das Geburtstagskind mit Konfetti oder Luftschlangen
zu garnieren.
Das war dem Mann am Mikrofon mit dem penibel aufgestellten Iro
sichtbar peinlich! Mittendrin holte Henne außerdem seinen
12-jährigen Sohn Justin (Bild)auf die Bühne, der bei einem Song
erstaunlich routiniert das Schlagzeug bediente. Nur bei der
Begrüßung am Mikrofon wirkte der junge Mann ein bisschen
eingeschüchtert. Kein Wunder: vor einer wildgewordenen Horde
Punkrocker außer Rand und Band. So viele Nieten (gemeint ist
der Lederjackenschmuck!!), Mohawks und Stachelköpfe hat der
Stattbahnhof schon lange nicht mehr gesehen.
Mit saftiger Verspätung kamen dann Extreme Noise Terror auf
die Bühne. Die sichtbar gealterten Crustcore-Pioniere aus dem
englischen Ipswich wurden frenetisch begrüßt und hielten sich
nicht mit langen Vorreden auf. Mit John Loughlin (Raging
Speedhorn) hat Sänger Dean Jones inzwischen einen neuen Partner
für den charakteristischen wechselseitigen Gesang der Band
gefunden, nachdem Gründungsmitglied Phil Vane im Februar 2011
im Schlaf gestorben war.
Gesang bedeutet bei Extreme Noise Terror allerdings eher
Grunzen als Singen, irgendwas von den Texten zu verstehen ist
also unmöglich. Der Titel des Debütalbums „A Holocaust in Your
Head“ spricht für sich. Immerhin schaffte es die Platte 1989
bis auf Platz 7 der UK Indie Charts. Unvergessen ist auch der
Auftritt im Jahr 1992 bei den Brit Awards gemeinsam mit The
KLF, als die Musiker Salven mit Spielzeug-Maschinengewehren ins
Publikum geschossen hatten. Für alle, die es nicht wissen: The
KLF ist das Kunstprojekt um Bill Drummond, das mit billig
produzierter Popmusik 1 Million Pfund verdient und anschließend
verbrannt hat.
Der Gig in Schweinfurt war für Extreme Noise Terror einer von
nur zwei Shows in Deutschland dieses Jahr. Deshalb kam die
Schar der Fans teilweise viele Kilometer weit gefahren. Ob es
sich gelohnt hat, muss jeder Besucher für sich selbst
entscheiden. Ein spaßiger Abend war es auf jeden Fall!
Wolfram Hanke