250 Gigs haben Royal Republic in 365 Tagen abgerissen. Damit gehören die Schwedenhappen mit Sicherheit weltweit zu den fleißigsten Bands im Jahr 2011. Einerseits verleiht der lückenlose Terminkalender dem Bekanntheitsgrad des Quartetts aus Malmö einen ordentlichen Schub, andererseits zeigt er auch, wie rücksichtslos gerade Major-Labels kurzfristigen Erfolg suchen und Bands verheizen, anstatt sie langfristig und behutsam aufzubauen. Mit dem neuen Album „Save The Nation“ wird sich für Royal Republic vermutlich wenig ändern.
Die Ochsentour geht weiter. Nachdem Royal Republic nimmermüde
ihr erstes Album „We Are The Royal“ im Vorprogramm von Donots,
Madsen oder Blink 182 promotet haben, geht es im Dezember mit
den Toten Hosen auf Tour, um Album Nummer zwei unter die Leute
zu bringen. Durchschnaufen? Pustekuchen! „Ich kann mich noch
gut an einen Anruf erinnern“, sagt Sänger Adam und schmunzelt.
„Wir haben unseren Manager angerufen – das war ganz am Anfang,
noch bevor das erste Album draußen war – und wir haben ihn
gefragt: Warum bekommen wir keine Shows?!? Heute sind die
Anrufe anders: Dad, wir wollen nach Hause, wir können nicht
mehr! Wir sind jetzt seit zwei Jahren nonstop unterwegs!“
Sauerstoffzelte brauchen Adam Grahn, Hannes Irengard, Jonas
Almen und Per Andreasson trotz fast täglicher energiegeladene
Live-Shows zum Glück noch nicht.
Von Konditionsproblemen ist dank weitgehendem Verzicht auf Drogen und Alkohol nichts zu spüren. Es geht bei dem Durst nach Pause eher um eine erhöhte Dosis Privatleben. „Wir waren so lange auf dieser Tour und während dieser Zeit ist zuhause viel passiert“, klagt Adam. „Ich habe verpasst, dass mein bester Freund geheiratet hat. Ich habe verpasst, dass Verwandte gestorben und Bekannte krank geworden sind. Ich kann nicht auf Beerdigungen gehen. Auf Tour ist dafür einfach keine Zeit, weil man immer beschäftigt ist. Du musst einfach immer gute Laune haben, weil du Shows spielst. Keiner von uns hat so etwas davor schon einmal gemacht.“ Und ganz nebenbei steht schon wieder ein Typ von der Plattenfirma auf der Matte und erkundigt sich dezent nach Album Nummer zwei. Aber wie soll man neue Songs schreiben und aufnehmen, wenn man fast durchgehend auf Tour ist? „Wir sollten im Dezember anfangen zu schreiben“, erklärt Gitarrist Hannes. „Aber wir hatten diese niemals endende Tour und irgendwie die Schnauze voll. Wir waren ernsthaft erschöpft. Also haben wir erst im März mit neuen Songs angefangen. Natürlich war da dieser gewaltige Zeitdruck, es gibt immer eine Deadline für alles. Deswegen war es auch ziemlich hart, den kreativen Prozess in Gang zu bringen. Wenn du sowieso schon gestresst bist, dann versteckt sich deine schöpferische Kraft. Aber sobald der Anfang geschafft war, ging alles ziemlich schnell.“
Bei allem Jammer machen Royal Republic natürlich weiter und werden nicht wieder Briefträger, Lehrer oder Hafenarbeiter. Schließlich haben sich die Schweden bewusst für diese Welt entschieden: Bühnen, Fernsehstudios, Tourbusse, Backstage-Bereiche und Hotelzimmer. Und das Resultat kann sich sehen lassen. „Save The Nation“ erreichte immerhin Platz 14 der deutschen Album-Charts und war zwei Wochen lang vertreten. „Natürlich sind viele unserer Träume wahr geworden“, sagt Adam. „Wie viele Typen können in einer grandiosen Band spielen? Und dann auch noch Nummer eins im Radio, die ganzen geilen Shows und diese riesigen Festivals. Alles ist einfach nur verdammt unglaublich. Aber meistens hat man einfach keine Zeit, um zu stoppen und es zu genießen, weil man einfach so damit beschäftigt ist, das alles zu tun. Wir sollten öfter mal stehenbleiben und das ganze Ding von außen betrachten.“
Keine Zeit für Reflexion! Denn nie war die Gunst der Stunde für schwedische Newcomer so günstig. The Hives veröffentlichen ein schwaches Album nach dem anderen, The Soundtrack Of Our Lives haben gerade ihren Abschied angekündigt und Mando Diao fällt irgendwie auch nichts Neues mehr ein. Da kommen Royal Republic mit ihrem eingängigen, schlichten Rock’n’Roll gerade recht. Und damit die Band mit dem neuen Album auch da ankommt, wo sie hin will – nämlich in die Rock’n’Roll Hall of Fame –, wurde „Save The Nation“ in den legendären Hansa Studios in Berlin produziert. Dort, wo David Bowie „Heroes“ oder U2 „Achtung Baby“ aufgenommen haben. „Das erste Mal, wenn du in dieses Studio kommst, ist das wahnsinnig“, erzählt Gitarrist Hannes. „Es hat so eine lange Geschichte und es war unglaublich dort aufzunehmen. Aber das Erschreckende ist, dass man sich so schnell daran gewöhnt hat! Das ist genauso wie große Shows zu spielen, man nimmt es nicht mehr so wahr. Das ist erschreckend! So war es auch in den Hansa Studios. Nach zwei oder drei Tagen ist es einfach nur Arbeit. Man denkt nicht mehr darüber nach, wenn man vor der Toilette steht: Oh verdammt, hier hat auch The Edge geschissen!“
Studioaufnahmen heißen für Royal Republic immer auch improvisieren. Die Schweden gehen keineswegs an die Mikrofone und haben bis ins Detail vorbereitete Songs dabei. Vor allem an den Texten wird bis zur letzten Sekunde geschraubt. „Als wir das erste Album aufgenommen haben, haben wir uns geschworen, dass nächstes Mal alles erledigt ist, bevor wir ins Studio gehen! Aber wir haben es wieder nicht geschafft“, gesteht Sänger Adam. „Beim Song „You Ain’t Nobody“ zum Beispiel habe ich Hannes von der Gesangskabine aus in Schweden angerufen und nach einem Refrain gefragt. Vielleicht klingt „Save The Nation“ deshalb auch sehr live. Wir wollten, dass der Sound sehr persönlich klingt. Und das tut er auch, verglichen mit „We Are The Royal“ war es eher eine moderne Aufnahme.“ Produzent Michael Ilbert hat unweit vom Brandenburger Tor ganze Arbeit geleistet.
Und diesmal hat sich sogar der eine oder andere ernste Song aufs Album geschlichen, was für Royal Republic eher untypisch ist. „Es sind größtenteils meine Beobachtungen, wie die Welt funktioniert und wie ich Leute oder bestimmte Situationen sehe“, erklärt Adam. „Everybody Wants To Be An Astronaut“ zum Beispiel handelt davon, dass heute jeder Karriere machen will, dass es nicht cool ist, einfach nur normal zu sein.
Viele Leute fühlen den Druck etwas Besonderes zu werden, so was wie Fotomodell, Fußballprofi oder Filmstar. Das beinhaltet aber keine Garantie, glücklich zu sein.“ Für Adam war es von Anfang an klar, dass er Musiker werden will. Und die Grundvoraussetzung dafür war in seinem Elternhaus ideal. Er musste sich nie mit lästigen Fragen nach beruflichen Zielen oder Zukunftsplänen auseinandersetzen und konnte auf volle Unterstützung bauen. „Meine Mutter und mein Vater waren beide Musiker und wir hatten sogar ein kleines Studio zuhause mit Gitarren, Keyboards und so weiter. Musiker ist ein Beruf, der in Schweden respektiert wird. Außerdem stehen viele Proberäume zur Verfügung. Musik wird schon von Kindesbeinen an sehr stark unterstützt bei uns. Ich habe mit Flöte angefangen. Es war nicht einfach, in die Musikschule zu kommen, weil wenig Plätze frei und die „coolen“ Instrumente alle vergeben waren. Also musste ich Flöte spielte. Aber ich wollte das nie so richtig, also habe ich angefangen zu schwänzen. Natürlich wurde ich erwischt. Als ich dann zwölf war, war ich der einzige in unserer Musikklasse, der jedes Instrument beherrschte. Und als ich dann dreizehn wurde, habe ich mir die Gitarre rausgesucht und entschlossen, dass ich darin richtig gut sein wollte.“ Und dieser Plan scheint ja inzwischen langsam aufzugehen…
Wolfram Hanke