REZI BLUES/GOSPEL: TOM JONES, PRAISE & BLAME
TOM JONES
PRAISE & BLAME
ISLAND / MERCURY
Das Alter. Ist man als Pop- oder Rockstar erst einmal
über 60 kann man sehr viel falsch machen. Ich habe nie darüber
nachgedacht, was passiert wenn der Sänger von „Sex Bomb“, den
ich im Übrigen als Kind schon Scheiße fand, mit 70 machen wird.
Von Viagra, Prostata und Testament singen? Der „Tiger“ hat aber
genau das Gegenteil gemacht und gefällt jetzt sogar mir! Er hat
sich nämlich genau auf das konzentriert, was ihn einzigartig
macht: Auf seine Stimme. Statt Ballermann-Discohits im
Gockelkostüm hat die walisische Crooner-Sangesikone im
wunderschönen Box in Wiltshire bei Peter Gabriel im Real World
Studio mit dem Produzenten der Kings Of Leon aufgenommen. Mit
Blick auf den Ententeich hinter der großen Glasfront. In Box
hat einst seine Oma gelebt und war in der Baptistengemeinde.
Was das zur Sache tut? Alles, denn Gospel, Blues und Spirituals
sind die Fundamente dieser ungewöhnlichen Platte, auf denen
Jones mithilfe seiner immer noch ungemein kräftigen Stimme ein
richtiges Schloss aufbaut und alle Kritiker zum Verstummen
bringt, die meinen er habe es nicht mehr drauf und könne
niemanden mehr überraschen. Als ich die ersten Songs hörte,
schossen mir sofort einige Stichwörter in den Kopf: Johnny
Cash, Rick Rubin und der amerikanische Süden. Wenige wissen,
dass Jones schon bei seinen frühen Alben viel Soulnummern dabei
hatte, das alles ist also nichts Neues für ihn und klingt nun
im Alter interpretiert einfach großartig. Ich mag zwar keine
sparsam instrumentierten Songs, aber wenn wie hier Platz für
eine tolle Stimme gemacht wurde, bitte! Drei/Vier der Elf Songs
sind Eigenkompositionen, der Rest Covers, unter anderem von
Dylan und Johnny Lee Hooker. Alles in Allem: Nicht ganz die
Klasse des finalen Johnny Cash Albums, aber trotzdem den
Käufern gerade dieser Platte auch ans Herz zu legen!