Und die Fans waren da! Seit geschätzten zwei Jahren standen
sie nicht mehr in Nürnberg auf den Brettern, trotzdem waren
sogar an einem Sonntagabend genug Rockmusik-Gourmets da, die
sich die typische "Nein, ich muß morgen Arbeiten"-Ausrede
sparten, und in den Hirsch trotz Schneemalör strömten. Der Band
geht es gut. Fast alle sind mittlerweile Familienväter und
Kapellmeister/Gitarrist Jacob Binzer erzählte vor dem Gig mit
stark sarkastischen Worten von den üblichen
Pubertätsdepressionen seiner inzwischen halbwüchsigen Töchter.
Die Band stellt sich allerdings die Frage, warum man mit
beständig guten Scheiben -jedes der zehn Studioalben hatte
meist zwei überragende Nummern- in Deutschland seit Jahren
immer nur auf dem selben Niveau tourte. D-A-D sind weder eine
Glamrockband, noch machen sie reinen Classic Rock, die Antwort
liegt vielleicht darin, nicht oft genug getourt zu haben,
falsch einsortiert zu werden und auf Festivals relativ selten
gespielt zu haben. Plattenverkäufe dienen wirtschaftlich heute
ja weniger als Maßzahl, sondern eher die Livepräsenz. Und der
abendliche Gig sollte es zeigen: D-A-D sind nicht nur eine
hervorragenden Liveband mit abwechslungsreichen Programm,
sondern gerade jetzt optimal gereift und vor allem live immer
besser geworden. Viel zu Schade für das vielgescholtene
Altenteil von Musikern über 45, außerdem sind sie in Dänemark
Nationalheiligtum, auch wenn Volbeat dort momentan diesen Rang
eingenommen hat.
Im Vorprogramm gab es ausgerechnet eine Neo-Glamrockband.
Pussy Sisster aus der Karlsruher Ecke waren
Haarspray-Rocktheater pur. Als Comedy gesehen eine tolle Sache,
aber wenn die Jungs das vom Herzen her todernst nehmen und
tatsächlich glauben, das Koglomerat aus Poison, Warrant und
Guns'N'Roses würde aus der Gruft auferstehen und die Welt würde
wieder in Spandex tanzen, dann tun mir sie wirklich leid.
Trotzdem hat ihr optisch auffälliges Programm aus
08/15-Glamrock Spaß gemacht.
D-A-D begannen dann mit "Evil Twin" und "Jihad" recht forsch
und waren sofort der Platzhirsch im Hirsch. Das Alter scheint
an ihnen scheinbar spurlos vorbei gegangen zu sein, rein
musikalisch sind sie nach wie vor eine blind abgestimmte
Groovemaschine. Sänger Jesper führt seine humorvollen
Zwischenansagen mittlerweile komplett auf Deutsch und hat auch
als einziger in der Band seine Haare nie geschnitten, was er
auch rein physikalisch aufgrund noch vorhandener Stirnbehaarung
noch nicht muß oder sollte. Blickfang wie immer für die Damen:
Bassist und Texter Stig Pedersen. Gertenschlank, Showman in
silbernen Outfit und auch sonst voll epiliert, sieht man von
seiner inzwischen gegelt/geölten Lockenpracht auf dem Kopf ab.
Wie immer dabei: Seine irren Instrumente. Alle mit nur zwei
Saiten (er braucht nicht mehr) und mit exquisiten
Ausstattungsmerkmalen. Zum Beispiel der Bass aus Plexiglas mit
Beleuchtung oder der berühmte "Raketenbass". Die Olive mit
Zahnstocher war nicht mehr dabei, aber die neueste Kreation ist
das Instrument, bei der Korpus und Kopfplatte einer Strat
vertauscht wurden und beides diametral vergrößert bzw.
verkleinert wurde. So richtig in Fahrt kam der Gig zu Ende des
Sets, bei dem mit dem Gaspedal-Triple "Road Below Me",
"Sleeping My Day Away" und "Bad Craziness" viel Rauch aufgrund
toller Songs gemacht wurde, das ungewöhnlich aktive fränkische
Publikum forderte auch sofort Nachschlag. "I Won't Cut My Hair"
und das dunkle "Monster Philosophy" bildeten die erste Zugabe,
der eine Zweite folgte und als Rausschmeißer dann das berühmte
Akustikstück "It's After Dark": Die Hymne für Insider, die bei
dem ursprünglichen Bandnamen auch eine Rolle spielt, als
Disneyland After Dark sich damals aufgrund rechtlicher Schritte
des Disney Konzerns in D.A.D umbennen mußten.
Wie Jacob vor dem Gig erzählte, ist das neue Album nun bereits
im Kasten und wird wohl im Frühjahr erscheinen, außerdem könnte
es sein, dass die Band bei einem größeren Festival in
Nordbayern 2011 durchaus auch auf dem Billing auftaucht. Fazit:
Wo man bei anderen Bands von Stagnation sprechen muß, werden
D-A-D immer besser und legen optisch und musikalisch noch eins
drauf. Gerne und unbedingt wiederkommen, der Hirsch war an
diesem (Sonntag-)Abend schon fast voll.
Ewald Funk