30 Jahre Punkrock und kein
bisschen leise. Kritiker warten schon seit Jahren vergeblich
auf die erste Ballade von Bad Religion. Eine Band, die sich und
ihren Fans über all die Jahre treu geblieben ist, wie man es
sonst nur von peinlichen Heavy Metal- Bands kennt. Sänger Greg
Gaffin erinnert sich noch gut an das erste Konzert der Band im
Jahr 1979 in einem Lagerhaus im kalifornischen Pomona das
gleichzeitig auch der erste Gig von Social Distortion war. Die
Jahre danach galten Bad Religion als Grünschnäbel der
Szene.
„Wir schauten auf zu den älteren Bands in Los Angeles, wie zum
Beispiel den Circle Jerks, bei denen unser heutiger Gitarrist
Greg Hetson spielte, Black Flag oder The Germs. Als wir
begannen, waren einige dieser Bands allerdings nicht so
freundlich zu uns, wie wir uns das erhofft hatten. Die wollten nicht mit uns auf der Bühne
stehen! Nur die Circle Jerks haben sich um uns gekümmert und
ließen uns als Supportband auftreten.“ Inzwischen hat sich die
Situation komplett geändert. Bad Religion gelten als
Institution in Sachen Punkrock und viele junge Punkbands sehen
die Band mit dem durchgestrichenen Kreuz als Vorbild. Frühe
Alben wie „Suffer“ oder „Against The Grain“ gelten heute als
Klassiker und haben die Band zu einem Markenzeichen gemacht.
„Früher funktionierte das komplett über die Punk-Szene in
Amerika“, erklärt Greg. „Die Leute kamen nicht wegen uns,
sondern weil wir Teil einer Szene waren. Heute ist Bad Religion
eine Szene für sich selbst. Unsere Fans auf der ganzen Welt
scheinen sehr ähnlich zu sein.“
Bad Religion haben eine bewegte Bandgeschichte hinter sich.
1994 wechselte die Band vom Punklabel Epitaph Records, das
Gitarrist Brett Gurewitz gegründet hat, zum Major-Label
Atlantic Records. Daraufhin verlässt Brett die Band und damit
war die Hälfte des Songwriting-Teams von Bord. Ersatz kam von
Minor Threat in Person von Gitarrist Brian Baker. „Greg und
Brett haben die ganze Drecksarbeit gemacht, bevor ich in die
Band gekommen bin. Sie waren im Van unterwegs und haben in den
besetzten Häusern gespielt. Als ich zur Band kam, haben sie
gerade „Stranger Than Fiction“ aufgenommen. Zu dieser Zeit ging
es nur noch um Capuccino und nackte Frauen.“ Mit einem breiten
Grinsen fasst Baker die sogenannten Epic-Years von Bad Religion
zusammen. Kommerziell erfolgreiche Jahre mit stilistisch eher
schwachen Alben. Deshalb war auch Brian heilfroh, als Brett
2001 wieder zurückkehrte. „Bretts Rückkehr war enorm wichtig
für Bad Religion, denn damit kam die fehlende Hälfte des
Songwriting-Teams zurück“, sagt Brian. „Außerdem hatten wir
durch ihn wieder ein Label. Wir können uns also nur bei ihm
bedanken. Meine liebsten Bad Religion-Platten haben Greg und
Brett zusammen geschrieben, lange bevor ich in der Band war.“
Auch für Brett war die Rückkehr zu Bad Religion eine Erlösung.
Denn neben seiner Arbeit als Labelchef von Epitaph wollte er
auch selbst kreativ sein und nicht nur die Musik von anderen
Bands vermarkten. „Ich habe die Jungs einfach vermisst. Ich
hatte ein bisschen Angst, dass ich vielleicht vergessen hätte,
wie man Songs schreibt. Aber der erste Song, den ich nach all
den Jahren geschrieben habe war „Sorrow“ für das Album „The
Process Of Belief“ - einer der besten Songs, die ich je
geschrieben habe.“ Nach vier Alben veröffentlichten Bad
Religion mit „The Process Of Belief“ wieder bei ihrem früheren
Label Epitaph. Zeitgleich kam mit Brooks Wackerman ein neuer
Mann am Schlagzeug, den man von Suicidal Tendencies und The
Vandals kennt. Er spielte mit der Band vier Alben ein und
lernte wie es ist, in einer Band mit einem Wissenschaftler am
Mikrofon zu spielen. Denn Greg Gaffin hat vor sieben Jahren
seinen Doktortitel in Evolutionsbiologie gemacht und als Dozent
schon mehrere Bücher veröffentlicht. „Er ist schon etwas
Besonderes“, sagt Brooks und grinst. „Ich kenne keine andere
Band, die einen Frontmann mit Doktortitel hat und jeden Tag vor
Punkpublikum spielt. Das einzige was nervt, sind die
Experimente im Kühlschrank von unserem Tourbus. Erst neulich
habe ich ein Affenhirn neben unseren Bierdosen gesehen. Er
sollte seine Arbeit einfach zuhause lassen. Haha.“
Die letzten Monate hatte Greg Gaffin wohl nur wenig Schlaf,
denn neben seiner Arbeit an der Cornell University in Ithaka im
Bundesstaat New York arbeitete der 46-Jährige mit Produzent Joe
Barresi (Queens Of The Stone Age, Tool) an den 15 neuen Tracks
für „The Dissent Of Man“. „Um fünf Uhr nachmittags gehe ich ins
Studio, nachdem ich den ganzen Tag am Campus verbracht habe.
Dort arbeite ich dann an den Aufnahmen bis etwa 1 Uhr früh. Am
nächsten Morgen stehe ich um 7 Uhr auf, damit ich um 8 Uhr an
der Uni bin. Nach dieser Methode sind schon mehr als zehn Alben
entstanden. Das bekomme ich ganz gut hin.“ Im Mai feierte die
Band ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum und verschenkte ein
digitales Live-Album mit Fan-Favoriten und Raritäten. Für
Gitarrist Brian Baker sind die 17 Live-Tracks ein Dankeschön an
die vielen treuen Fans der Band. „Jeder Bad Religion-Fan konnte
sich die Aufnahme eine zeitlang kostenlos herunterladen. Wir
haben also lieber selbst Geschenke gemacht, als uns beschenken
zu lassen. Eine Torte auf der Bühne gab es nicht, weil wir
gemerkt haben, dass diese Kost nicht mehr so gut ist für Männer
in unserem Alter.“ Tja, einer Band wie Bad Religion Geschenke
zu machen ist ja auch nicht so einfach – quasi wie einem Kind,
dass schon alles hat. Sänger Greg Gaffin ist trotzdem
bescheiden geblieben. „Als wir die Band gegründet haben,
wollten wir nur ein Album machen, dem die Leute Gehör schenken.
Wir haben uns nie hochtrabende Ziele gesteckt. Und wenn wir
zurückschauen und uns fragen: Was haben wir in all den Jahren
erreicht? Dann wissen wir, dass wir eine Menge Fans glücklich
gemacht und viele andere Bands inspiriert haben. Das ist für
mich immer noch das größte Verdienst.“
WH
NEUIGKEITEN/AKTUELLES EINZELANSICHT
BAD RELIGION- INTERVIEW
Gäbe es einen Nobelpreis in der Kategorie Punkrock - Bad Religion hätten ihn längst verdient. Die Jungs aus Los Angeles feiern dieses Jahr ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum und gehören damit wohl zu den dienstältesten Punkrockern des Planeten. Ende September erschien mit „The Dissent Of Man“ das sage und schreibe 15.Studioalbum der kalifornischen Drei-Akkord-Dinos.