Was für die einen nur drei sehr coole Tage lang dauert, das
dauert für die anderen fast das ganze Jahr. Was für die anderen
pures Vergnügen ist, das ist für die einen harte Arbeit. Wie es
hinter den Kulissen eines großen Festivals zugeht, dass können
sich die meisten nicht Eingeweihten wohl eher nur vage
vorstellen. Es geht nicht nur darum die guten Bands für
seinen Spielplan zu bekommen, sie auch noch am gewünschten Tag
zu bekommen (!), oder ein paar Bauzäune um eine grüne Wiese zu
stellen, nein, es geht um viel mehr als das. Hürden und
Probleme von Gesetzen bis zur Müllentsorgung müssen bedacht
werden und nicht zu letzt ja das Wohlergehen und die Sicherheit
der Besucher. RCN hatte am dritten Tag des Festivals die
Gelegenheit mit dem Veranstalter Volker Hirsch
zu sprechen: über lästige Auflagen des Staates Bayern, viele
tolle und freiwillige Helfer und das Programm. Natürlich wurde
auch nach dem verunglückten Kletterkünstler vom Donnerstag
gefragt, der sich – Gott sei dank – auf dem Weg der Besserung
befand.
RCN: Was waren so deine Höhepunkte
bisher?
Volker: Ich fand „Bush“ aus meiner Sicht
wahnsinnig gut. Ich fand auch „Placebo“ recht gut, recht
professionell, also hab ich auf jeden Fall genossen. „Skindred“
fand ich wieder mal sehr, sehr gut. Leider waren zu der Zeit
noch nicht so viele Leute da. Ich fand, dass „H-Blockx“ einen
überraschend guten Auftritt abgeliefert haben, - was heißt
überraschend, die sind ja immer ein Garant, aber da hat halt
die Chemie gepasst. Ich hab sie mir vor zwei Jahre auf Rock im
Park angeschaut und fand sie da ein bisschen belangloser, aber
das lag vielleicht nicht unbedingt an der Band, sondern eher an
der Chemie von Publikum und Band.
„Madsen“ war überraschend richtig, richtig genial
...überraschend ist immer so aberwertend ne? (lacht)
RCN: Vielleicht kann man da dann auch sagen,
dass es einfach eine Spur über dem Normalgig war. Das es
eben ein ganz besonderer Gig war, also das ging mir schon auch
so.
Volker: Also „Kraftklub“ war natürlich
Wahnsinn hinten auf der zweiten Bühne! Was ich als Auftakt
schon mal ganz, ganz genial fand - das komplette
Steinbruchprogramm am Donnerstag war natürlich gut -
„5Bugs“ war eine gute Show, „Moop Mama“ war ein Hammer und
wurde dann durch „Hoffmaestro“ noch zwei mal überboten. Das
fand ich sensationell was da oben passiert ist.
RCN: Sichtwort „Kraftclub“: Wir haben dich
gesehen, wie du dir den Gig von dem Hügelchen, von der Wiese
gegeben hast. Wurdest du da oben samt Kindern Zeuge dieses
kleinen Techtelmechtels?
Volker: Ach, das hat man von unten alles
gesehen?
RCN: Also ich kann zumindest nicht
dementieren, dass da oben nichts gelaufen ist, die ganze Ecke
Publikum darunter hat die beiden beim Poppen angefeuert, die
Band hat nix mitbekommen. (lacht)
Volker: OK. Das peinlichste an der Nummer
ist, das mein elfjähriger Sohn vorne weg gelaufen ist und dann
so innerhalb von fünf Minuten das ganze Leben kennen gelernt
hat...
RCN: Nennen wir es einfach mal das „Festival
der Liebe“ und vielleicht auch eine kleine Ablenkung für die
Geschichte mit dem Steinbruch. Wie viele Barrieren musste
der Typ überwinden um so einen Schwachsinn zu machen, wie dort
runterzufallen?
Volker: Zwei Zäune und einen regulären
Maschendrahtzaun, der dürfte 1,80 m hoch sein. Wir haben aber
noch einen speziellen Sicherheitszaun, das ist ein engmaschiger
Bauzaun, der mit Inbusschrauben verschraubt ist. Der ist 2,50
hoch.
RCN: Wie geht’s dem jetzt?
Volker: Der ist überm Berg, den Umständen
entsprechend. Es sind schon eher schwerwiegende Verletzungen
und vor allem langwierige Verletzungen. Im Moment ist davon
auszugehen, dass er keine Querschnittlähmung davon trägt. Was
da innerlich alles noch Zeit braucht und nicht mehr so
funktioniert, wird die Zeit zeigen.
RCN: Was war bei „Boysetsfire“? Die hatten
nämlich auch eine lange Pause drin.
Volker: Das habe ich nicht so richtig
mitbekommen. Also da war ich auch nicht hinten. Es war
definitiv nichts was mit unserer Technik oder mit uns, mit dem
Festival zu tun hatte. Es wird wohl, wenn es ein Problem war,
ein internes Problem der Band gewesen sein.
RCN: Wie hoch waren jetzt die offiziellen
Zuschauerzahlen?
Volker: Wir haben pro Tag 10.300 Besucher,
round about. Sprich für uns haben ganz am Schluss tatsächlich
200 Besucher gefehlt. Alles in Allem waren es 17.500 Besucher,
bedingt durch den Wechsel der Tagesbesucher.
RCN: Du hast vor allem immer ein
gegensätzliches Problem. Du brauchst Bands die auf dem Billing
gut funktionieren, die eine gute Show abliefern aber auf der
anderen Seite muss man dann immer auch etwas gucken, dass man
jeden Tag thematisch anlegt. Wie würdest du den ersten und den
zweiten Tag nennen?
Volker: Na ja gut, aber das ist eher ein
Mythos, dass das immer noch so ist.
Früher hat es immer geheißen auf dem Taubertal gibt’s den
„Schwarzen Freitag“, da haben dann die ganzen Mittelalterbands
gespielt.
Mittlerweile kann man sich das gar nicht mehr erlauben, weil
zu viele Festivals an dem Tag sind und du kriegst es nicht hin.
Meine grundsätzliche Ausrichtung ist sicherlich, dass ich den
zugkräftigsten und zugleich besten Liveact immer versuchen
werde auf den Sonntag zu bringen. Ich bin der Meinung, dass es
wichtig ist, dass der Festivalbesucher vom Festival mit dem
bestmöglichsten Eindruck weg geht.
Das ist das Eine. Dann versuche ich immer, dass ich
partykompatible Acts grundsätzlich auf den Samstag bringe, so
wie „Pendulum“ letztes Jahr, das war dafür die ideal Besetzung
natürlich.
Und Freitag wird halt mit dem Besetzt was noch zu kriegen ist.
Da kommt dann meistens noch alles andere. Es zeichnet sich
jetzt schon ab, dass unserer größter Headliner nächstes Jahr
wohl eher am Freitag spielen wird.
RCN: Wenn du jetzt mal wirklich deine
Traumacts hättest würdest du auch einmal einen Donnerstag
aufmachen, nur das die spielen könnten?
Volker: Naja,....für „Muse“ würde ich das
machen. (lacht)
Ich würde es zumindest versuchen, ob man das dann genehmigt
kriegt ist die zweite Frage.
RCN: Hat sich auch in dem Jahr die Zeit die
du investiert hast, die Nerven, die familiären Einschränkungen
die du dadurch erlitten hast gelohnt?
Volker: Ich sage mal jetzt: man muss sich
mehr motivieren wie am Anfang noch. Man stellt auch mehr in
Frage mit zunehmenden Alter und die Zeit allgemein ist auch
schwieriger geworden, der Kampf wird größer, von allen Seiten.
Man muss sich mehr und mehr behaupten als eigenständiges
Festival zwischen diesen ganzen Mega-Tourneen und
Festivalveranstaltern überhaupt ein vernünftiges Programm zu
kriegen. Man muss sich da gegen gewisse
Gebietsschutzvereinbarungen und viel, viel Geld wehren, das ist
das eine.
Das andere ist aber auch, dass wir von Behördenseite, -aber im
weitesten Sinne, das hat nichts mit den hiesigen Behörden zu
tun, die unterstützen uns nach besten Möglichkeiten - immer
mehr Auflagen bekommen, immer noch weiterführende Gesetzte
ect., ect., ect. Die machen’s immer schwieriger. Dann so Themen
wie GEMA natürlich. Die allgemeine Wertschöpfungskette, - auch
nicht direkt von den Künstlern - sondern von allem was dran
hängt wird immer mehr auf den Livebereich geschoben, deshalb
wird es da auch immer schwieriger. Was auch noch mit dazu
kommt, das hat man ja in der Festival Saison heuer gesehen, wir
hatten heuer wahnsinniges Glück mit dem Wetter, aber das wird
sicherlich auch ein immer größerer Faktor.
RCN: Nenne doch mal zwei Beispiele von
Auflagen die besonders hart für euch sind, die besonders weh
tun.
Volker: Wir kämpfen gerade gegen ein Gesetzt,
das ist ein rein bayerisches Gesetz, da geht es darum, dass die
rettungsdienstliche Vorhaltung, also sprich, das hat nichts mit
dem Sanitätsdienst zu tun, sondern das hat damit zu tun, das in
einer Kleinstadt wie wir es sind für die allgemeine Bevölkerung
und für uns hier, ein Krankenwagen nicht ausreicht, da wird ein
zweiter dazu gestellt. Die Entscheidung ob der nötig ist
treffen andere, gleichzeitig gibt es aber ein Monopol darauf
wer den zu stellen hat. Zum dritten, was der Oberhammer an der
ganzen Geschichte ist, das die ja auch quasi abrechenbare
Fahrten mit dem Ganzen haben und das wird gegen gerechnet. Also
man wird letztendlich an den Vorhaltungskosten beteiligt. Wenn
sich die eine goldene Nase verdienen, letztendlich mit den
Fahrten, dann wir das mit von den Kostenstrukturen abgezogen.
Das ist ein Gesetz, das es nur in Bayern gibt, was nur
kommerzielle Veranstalter betrifft, also alle Vereine sind
ausgenommen. Da muss ich sagen, klar muss man Vereine
grundsätzlich unterstützen und schützen wo es geht, aber wenn
man dann eh schon der Steuerzahler ist der überall an die Wand
genagelt wird als kommerzieller Veranstalter, dem auch noch so
ein Gesetz überzustülpen, das nur für Bayern gilt, das ist
natürlich mega ungerecht.
Das ist so das eine.
Das andere ist sicherlich auch die Situation, das es
offensichtlich nicht mehr möglich ist ganz normal eine GEMA
Meldung abzugeben, sondern man braucht mittlerweile immer einen
Anwalt dazu weil man da ja versucht, für die Urheber
letztendlich versucht, da noch mal ganz andere Sachen raus zu
nehmen. Das es da ein Tarifwerk gibt, das den Unterschied nicht
wirklich kennt zwischen einem Festival, wo ich auf einer grünen
Wiese Kilometer von Bauzaun aufstellen muss, Tonnen von Müll
entsorgen muss und eine Infrastruktur erschaffen, und ich sag
mal, dem „Peter Maffay“ Konzert in der Arena Nürnberg. Da
gibt’s jetzt nicht wirklich einen tariflichen Unterschied. Da
bedient man sich mit der Gebühr, meines Erachtens, an Kosten
die gar nichts mit dem Konzert und Eintritt zu tun haben,
sondern dazu da sind, um logistische Kosten zu decken. Das ist
schreiende Ungerechtigkeit meines Erachtens.
RCN: es fällt auf, dass es auf dem Gelände
nicht unbedingt so aussieht als hätten hier gerade zwei Tage
Festival stattgefunden. Das ist etwas was nicht gerade in den
Medien erwähnt wird. Würde dir das gut gefallen wenn solche
Details auch einmal lobend erwähnt würden?
Volker: Ja natürlich. Wobei es nicht um die
Selbstbeweihräucherung geht, sondern mir geht eigentlich mehr
darum das die Tatsache so ist. Vor allem das Publikum, denn
ohne das Publikum wäre das so auch nicht möglich. Ich meine,
klar sind auch im großen Maße unsere Helfer vom Umweltteam an
der Nummer beteiligt, die machen auch einen sehr guten Job.
Dadurch werden natürlich die Leute auch ein bisschen
sensibilisiert. Die Meisten die ein etwas in der Birne haben,
die schmeißen jetzt ihren Dreck auch nicht hinter den der’s
gerade aufgehoben hat. Es ist kein Phänomen, aber es ist
festzuhalten, dass man da wo es eh schon dreckig ist, halt gern
noch mal drauf müllt. Genau da wollen wir entgegenwirken. Das
sind wir aber auch dem Veranstaltungsort quasi schuldig.
Ein gepflastertes Messegelände kannst du nach fünf Tagen
ordentlich aufräumen und so lange kannste es auch zumüllen. Auf
dem Platz wo wir sind gehört sich das nicht und es ist auch
nicht gut für diesen Platz.
RCN: Erstmalig habt ihr das „Green Camping“
gemacht. Das ist ein Platz wo sich die Leute sammeln die gerne
mal ein bisschen ruhiger campen wollen, das heißt keine Partys
Nachts. Gibt’s da schon Erfahrungswerte?
Volker: Das Konzept ist voll aufgegangen. Wir
wollten eigentlich zwei Sachen erreichen. Wir wollten nicht zu
groß reglementieren darum gibt es auch keine klare Liste was
dahinten nicht erlaubt ist, wir sind auf einem Festival. Wir
wollen sensibilisieren und wir wollen eigentlich allen denen
das wichtiger ist nicht auf einer Müllhalde zu zelten und
vielleicht ein paar Stunden Schlaf zu kriegen, eine
Anlaufstelle bieten und die bieten wir an dem Ort der am
schützenswertesten ist. So schlagen wir zwei Fliegen mit einer
Klappe und das ist gut aufgegangen. Wir hatten da unten heuer
sehr vernünftige Leute, es war sehr ruhig und wir mussten jetzt
da nicht mit groß mit – oh jetzt haben wir schon zwei Uhr und
noch 34 Dezibel, sondern wir haben einfach gesagt: Leute haltet
euch ein bisschen dran, müllt nicht alles zu. Und daran haben
sie sich gehalten. Von daher ist das Konzept auch
aufgegangen.
RCN: Was wünscht sich ein Volker Hirsch zu
Weihnachten?
Volker: (lacht) Das ist eine gute Frage. Ähm,
aufs Festival bezogen sicher, dass alle Headliner unter Dach
und Fach sind, das ähhh ...Weihnachten ist der falsche
Zeitpunkt! Festival bezogen ist für mich quasi Weihnachten wenn
am Montag das Festival vorbei ist und alle mit einer guten
Laune vom Platz gezogen, alle noch am Leben und bei bester
Gesundheit sind. Das ist eigentlich für mich wie Weihnachten.
Also da dreh ich das jetzt einmal rum.
RCN: Wie viel Schüler und Jugendliche aus
Rothenburg sind denn an dem Wochenende aktiv für euch?
Volker: Also wir haben im Ganzen so knapp 200
Idealisten im Einsatz die ihre Freizeit wirklich uns zu
Verfügung stellen um das Festival zu unterstützen und in diesem
Festivalumfeld einfach zu arbeiten.
RCN: Bekommen die Geld dafür?
Volker: Nö, gar nicht, dass ist komplett
ehrenamtlich. Die freuen sich einfach, dass sie dabei sind. Da
geht es viel um die Gemeinschaft, also wenn man dann Abends so
nach getaner Arbeit mit den ganzen Kumpels so zusammen sitzt,
das ist eine ganz tolle Erfahrung letztendlich. Es ist ja auch
eine Arbeit die irgendwie cool ist und sie unterstützen das
Festival, außerdem bekommt man ja den ein oder anderen Künstler
noch mit wenn man jetzt da am Platz Müll sammelt oder eben
einen Posten besetzt. Das gibt ihnen glaube ich genug für ihre
Arbeit.
Das ist natürlich ein Punkt, wenn man wieder zurück springt
auf diese Sauberkeit da draußen, wir könnten uns es sicher
nicht leisten es in diesem Maße sauber zu halten, wenn wir
jetzt da irgendwelche Reinigungskräfte dafür einstellen
müssten. Was da auch mit dazu kommt ist tatsächlich auch
die Verantwortung der Jungs für die Natur, man macht ja da auch
Umwelt und Naturpflege so speziell in der Müllgruppe.
Interview: Wolfram Hanke, Ewald Funk, Abschrift Carina Heimbach